Carlos Altamirano, Retratos (Porträts), 1979 - 2007
Carlos Altamirano, Retratos (Porträts), 1979 - 2007
Carlos Altamirano, Retratos (Porträts), 1979 - 2007
Carlos Altamirano, Retratos (Porträts), 1979 - 2007
Carlos Leppe, El perchero (Der Kleiderständer), 1975
Carlos Leppe, El perchero (Der Kleiderständer), 1975
Catalina Parra, Imbunches, 1977
Catalina Parra, Imbunches, 1977
Juan Downey, Moving, 1974
Juan Downey, Moving, 1974
CADA Archiv, Courtesy: Lotty Rosenfeld, Ausstellungsansicht, WKV 2009
CADA Archiv, Courtesy: Lotty Rosenfeld, Ausstellungsansicht, WKV 2009
CADA, No +, 1983
CADA, No +, 1983

Progressive Bilder

Kunst in Chile während der Diktatur 1973 - 1990

KuratorInnen: Ramón Castillo und Paulina Varas

Carlos Altamirano, CADA (Colectivo de Acciones de Arte), Guillermo Deissler, Eugenio Dittborn, Juan Downey, Carlos Leppe, Gonzalo Mezza, Catalina Parra, Lotty Rosenfeld, Cecilia Vincuña

Die politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Zustände während der Militärdiktatur in Chile haben die künstlerische Bildproduktion nicht nur in inhaltlicher, sondern auch formaler Hinsicht beeinflusst. So zeigen sich in vielen bewegten wie unbewegten Bildern Elemente des Bruchs, der Divergenz, Spaltung und Rekombination, die alle auf eine Neubestimmung der kognitiven wie symbolischen Welt abzielen. In ihrer Unabgeschlossenheit laden die Werke dieser Sektion den Betrachter dazu ein, den Fortgang einer Erzählung zu rekonstruieren, die Zeugnisse von Leid, Unterdrückung, Hoffnung und Gerechtigkeit gleichermaßen in sich birgt. Eine der am häufigsten gebrauchten Metaphern jener Zeit ist der Körper – das heißt der Körper im/als Werk sowie im Sinne des Staatskörpers. Das, was im Werk zum Ausdruck kommt, sollte sich auch auf menschlicher und geografischer Ebene widerspiegeln.
Unsere Absicht ist es, ein Alphabet des visuellen Gedächtnisses zu rekonstruieren, das sich der permanenten Spannung zwischen Erinnern und Vergessen, Verschweigen und Enthüllen in Zusammenhang mit Chile widersetzt. Doch wie lässt sich diese Spannung im Kontext der Ausstellung darstellen?
Das repressive Klima während der Militärdiktatur in Chile (1973-1990) erzeugte eine Serie von Konflikten und Gewaltausbrüchen, die schließlich Teil des alltäglichen Lebens wurden. Der Kunstbetrieb machte diese mehr oder weniger direkten Exzesse sichtbar, während die Sprache der Kunst sich in ein stummes – ein zum Schweigen gebrachtes – Schlachtfeld verwandelte.
Die Zeugnisse dieses komplexen und entropischen visuellen Gedächtnisses – ausgestellt in Form von Kulturfragmenten – lassen sich weder auf deren zeitliche noch lokale Bedeutung zurückführen. Diese "Bilder-in-progress“ beziehungsweise visuellen Dokumente, die wir hier präsentieren, warten vielmehr auf eine Neubestimmung, durch die die Kunst, und damit auch die chilenische Geschichte neu formuliert werden könnten

WERKE

Alle Texte, wenn nicht anders vermerkt: Ramón Castillo und Paulina Varas

Carlos Altamirano (1954, RCH)
Retratos (Porträts), 1979–2007
Digitaldruck, Courtesy: Carlos Altamirano
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Porträts ist eine Collage, die auf Medienbildern und Motiven des nationalen kollektiven Gedächtnisses basiert. Auf diese Collage montierte der Künstler Fotografien von vermissten chilenischen Gefangenen.

CADA – Colectivo de Acciones de Arte (1979 – 1985, RCH)

Auswahl aus dem CADA Archiv
Courtesy: Lotty Rosenfeld
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Das Colectivo de Acciones de Arte (Kollektiv für Kunstaktionen) wurde 1979 von den SchriftstellerInnen Diamela Eltit und Raúl Zurita, dem Soziologen Fernando Balcells und den KünstlerInnen Lotty Rosenfeld und Juan Castillo gegründet. Die Gruppe führte eine Reihe von Aktionen durch, die sowohl im privaten als auch im öffentlichen Raum stattfanden oder als Interventionen in den Printmedien erschienen. Die Aktionen richteten sich gegen die Militärdiktatur und hinterfragten die Vorstellung vom Gesellschaftskörper als einem Organismus, der seinem historischen Gedächtnis zuwiderläuft.

Para no morir de hambre en el arte (Um in der Kunst nicht zu verhungern), 1979
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Am 3. Oktober 1979 verteilte CADA 100 Halbliter-Tüten Milch an die Einwohner des Bezirks La Granja in Santiago de Chile. Dabei baten sie die Leute, ihnen die leeren Tüten zurückzugeben, damit Künstler sie für ihre Arbeiten weiterverwenden konnten. Diese wurden gemeinsam mit Dokumentationen der Aktion in der Centro Imagen Galerie in Santiago ausgestellt. Die Tüten trugen den Schriftzug „1/2 litro de leche“ (1/2 Liter Milch).

Inversión de Escena
(Umkehrung der Szene), 1979
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Am 17. Oktober 1979 erhielt CADA zehn Lastwagen eines nationalen Molkereiunternehmens und fuhr diese in einem Konvoi zum Museum der Schönen Künste. CADA verhüllte zudem die Fassade des Museums mit einem weißen Stoff, um auf die Zensur zu verweisen, die damals in Chile herrschte.

NO+, 1983
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Die Formel „No +“ (= „No más“, etwa „keine weitere/n“), die im Rahmen von verschiedenen Aktionen in Santiago und anderen Städten auf Mauern geschrieben wurde, leitete jeweils eine Parole ein, die sich gegen die Diktatur richtete. Ausgehend von Aktionen der Gruppe CADA, wurde sie für verschiedenste Ausdrucks- und Protestformen zu gesellschaftspolitischen Angelegenheiten in Chile und an anderen Orten der Welt erweitert.

Guillermo Deisler (1940, RCH–1995, D)
Auswahl aus dem Deisler Archiv
Courtesy: Laura Coll
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Gemeinsam mit weiteren lateinamerikanischen Künstlern war Deisler während der 1960er Jahre aktiv an künstlerischen Austauschprojekten beteiligt: insbesondere an der Etablierung der Mail Art in Südamerika und deren Vernetzung mit anderen Ländern. Bevor er nach Europa übersiedelte, realisierte Deisler in Chile eine Reihe von Publikations- und Kunstprojekten, die das Fundament dieser alternativen Netzwerke bildeten, über die er seine eigene und die Werke anderer Künstler verbreitete.

Eugenio Dittborn (1943, RCH)
Historia de la física o física de la historia (Geschichte der Physik oder Physik der Geschichte), 1985
Video, Farbe, 18’, Courtesy: Eugenio Dittborn
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Dittborn verbindet in diesem Video populäre Bilder mit Geschichten aus seinem Privatleben und Dokumentationen einer von ihm 1982 durchgeführten Aktion. Bei dieser Aktion vergoss und verbrannte er 300 Liter Öl in der Atacanawüste. Während man sieht, wie der Künstler darum bemüht ist, den Ölteppich zu vergrößern, tauchen zwischen diesen Bildern Aufnahmen von Situationen höchster körperlicher Anstrengung auf: Boxen, Schwimmen, ein Sänger, eine Geburt. Die Bildmontage ist entsprechend der sogennanten Fibonacci-Folge strukturiert, eine Zahlenreihe, in der sich die jeweils folgende Zahl aus der Addition der beiden vorherigen ergibt: 0 1 1 2 3 5 8 …

Juan Downey (1940, RCH–1993, USA)
Moving, 1974
Video, schwarz-weiß, 27’, Courtesy: Juan Downey Foundation
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Von 1973 bis 1977 führte Juan Downey das Projekt Video Trans America durch, das auf Videodokumentationen verschiedener Reisen quer durch den amerikanischen Kontinent (von New York bis Feuerland) basiert. Diese Aufnahmen bildeten die Grundlage für eine Reihe von Videos, Installationen und Ausstellungen, die in verschiedenen Städten weltweit gezeigt wurden. Moving ist eine höchst subjektive Arbeit, eine Art lebendiges Tagebuch über die Beobachtungen des Künstlers auf seinen Reisen und über die unterschiedlichen Erfahrungen von Gemeinschaft, die er machte.

Carlos Leppe (1952, RCH)
El perchero (Der Kleiderständer), 1975
Foto, sw, Courtesy: Carlos Leppe
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Carlos Leppe hat für diese Arbeit einige seiner Körperteile mit Klebeband verbunden. Seine Physis wird damit quasi ausgestrichen, wobei der „Panzer“ seinen Körper gleichermaßen zensiert und schützt. Nur seine Brust ist entblößt und unterstreicht – in Anspielung auf die Situation in Chile – die Doppelbödigkeit des erotisierten, missbrauchten und unterdrückten Körpers.

Gonzalo Mezza (1949, RCH)

El Deshielo de Venus (Das Schmelzen der Venus), 1972-1979
Foto und Fotokopie, Courtesy: Gonzalo Mezza
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Bei diesem Ausstellungsprojekt ließ der Künstler die Venus von Milo in Form einer Eisfigur vor den Augen der Betrachter schmelzen. Das Foto zeigt die auf die chilenische Flagge anspielende „Trikolore-Venus“.

Catalina Parra (RA; 1940, RCH)
Imbunches, 1977
Serie von 3 Grafiken, Courtesy: Pedro Sanchez
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In Imbunches greift Catalina Parra auf eine mythologische Figur (Imbunche) aus dem Süden Chiles zurück. Es handelt sich um ein Wesen, das seinen Willen, sein Bewusstsein und seine Kommunikationsfähigkeit verloren hat. Die Serie von grafischen Arbeiten setzt sich aus Zeitungsausschnitten, Fotos, Fasern, Stickereien und anderem zusammen. Es geht um die Repräsentation abweichender und hybrider Körper, die schmerzliche Mutationen und Hilflosigkeit reflektieren.

Lotty Rosenfeld (1943, RCH)
Cautivos (Gefangene), 1989
Video, Farbe, 12’, Courtesy: Lotty Rosenfeld
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Die Videoarbeit basiert auf Fragmenten aus verschiedenen medialen Quellen, die um Fragen der Legalität und Illegalität gesellschaftlicher Prozesse kreisen, mit denen eine entstehende Demokratie konfrontiert ist.  Es handelt sich um eine visuelle Reflexion über Subjekte und Gemeinschaften, die Alternativen für eine Gesellschaft suchen, die sich in einer Krise zwischen Entfremdung, Klarheit und Hoffnung befindet.

Cecilia Vicuña (USA; 1948, RCH)
Archiv der „Künstler für Demokratie“
Courtesy: Cecilia Vicuña
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Vicuña, die 1971 nach London zog, führte dort ab 1973 eine Reihe von Kunstprojekten durch: insbesondere als Organisatorin der Gruppe “Künstler für Demokratie”, deren Kampagnen auf die Kriegstaten der Militärs in Chile aufmerksam machen wollten.







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