Peggy Buth. Desire in Representation

Ausstellung

Raum 1: O, My Kalulu! (Teil 1, Discovery)
Raum 2
Found footage (monument)
Fireworks on the day of their arrival, after the welcoming speech
Listeners & typewriters (Olympia)
Raum 3: Peggy Buth, Ohne Titel (Archiv)
Raum 4: O, My Kalulu!, 2009, (Teil 2, Brothers)
Raum 5: 70 Fotografien (Desire in Representation)
Desire in Representation, Fotoserie, 2004-2009
Desire in Representation, Fotoserie, 2004-2009
Desire in Representation, Fotoserie, 2004-2009
Desire in Representation, Fotoserie, 2004-2009
Raum 5: Register (Desire in Representation)
Ohne Titel (Please Convey To the King)
Raum 6: Ohne Titel (Labor)
Raum 7: O, My Kalulu! (Teil 3, Hunt)
Raum 8
Ohne Titel (fever, cabinet), Filmstill
A lion shot at midnight
Ohne Titel (portrait, portrait, portrait)
Raum 8: O, My Kalulu! (Teil 4, Loss)
Raum 9: Soundinstallation (Sounds O, My Kalulu!)
Raum 10: Dioramen
Raum 10: O, My Kalulu! (Teil 5, Savior)
Raum 11: Ohne Titel (library)
Raum 11: Wandtapete (Landschaft)

RAUM 1
 
O, My Kalulu!, 2009, fünfteilige Videoproduktion (Teil 1, Discovery), 11:36 Min.

Wie bereits in ihrem Buch O, My Kalulu!, bezieht sich Buth in ihrer gleichnamigen Videoarbeit auf Henry Morton Stanleys Novelle Kalulu, Prince, King and Slave. Das Leben seiner beiden Untergebenen stark stilisierend, erzählt Stanley hier von der innigen Freundschaft zwischen dem arabischen Sklaven Selim und dem afrikanischen Prinzen Kalulu. Die Videoarbeit verschränkt eine Auswahl von Dialogen der Novelle mit Zitaten aus verschiedensten Genres, Stilen und Bildformeln der Kunstgeschichte, Fotografie, des Films und Fernsehens miteinander: Eine bis zur Renaissance zurückreichende Collage des westlichen kulturellen Erbes, inklusive der Repräsentationen des „wilden“ oder „edlen Wilden“. Ganz explizit greift Buth hier auch Elemente der schwulen Ästhetik auf, geht es ihr doch darum, die unterschwellige Homoerotik von Stanleys Novelle hervorzuheben. Denn auch und gerade in dieser manifestiert sich die Projektion westlicher Sehnsüchte und Ängste auf das „Andere“. Fernab der westlichen Zivilisation entdeckte man eben nicht nur fremde Länder, sondern auch das eigene Fremde, das sich auf das fremde Fremde übertragen ließ. In den Dialogen zwischen Kalulu und Selim zeichnet sich jedoch nicht nur eine mögliche homoerotische Übertragung ab. Wenn Selim wortreich ankündigt, dass er Kalulu aus dem Dunkel des Nichtwissens ins Licht der Zivilisation zu bringen wünscht (Teil 3, Hunt), sprechen hieraus auch die Hegemonialansprüche des westlichen weißen Mannes. Dass es Buth in Desire in Representation darum geht, wie sich in den Repräsentationen Afrikas vor allem das (männliche) westliche Ego spiegelt, zeigt sich auch darin, dass Kalulu von einem weißen Schauspieler dargestellt wird.
 
Aufgeteilt in fünf Episoden – Entdeckung, Brüder, Jagd, Verlust, Rettung – erstreckt sich die Videoarbeit über fünf nicht aufeinander folgende Räume. Der Fluss der Erzählung wird somit immer wieder unterbrochen und dabei auf Um- und Abwege verschoben. Darüber hinaus wechselt das Format und die Präsentationsweise der Videos zwischen Quer- und Hochformaten, offenen und bühnenartig gerahmten Projektionen.

Die Bild- und Tonebenen der Videoarbeiten sind voneinander getrennt. Der theatrale Charakter der Bildinszenierungen tritt offen zu Tage, indem zum Beispiel das Aufnahmestudio selbst oder die Greenbox ins Bild geraten. Buth durchbricht in dieser Arbeit also nicht nur die kohärente Erzählweise des Kinos, sondern demontiert auch dessen Illusionismus.

RAUM 2
 
Wald im Spätherbst, 2009, Teer, Bitum, Schellack, Holz
fireworks on the day of their arrival, after the welcoming speech, 2007, Teppich, Holz
listeners & typewriters (Olympia) / listeners & typewriters (Triumpf), 2009, Mixed Media Installation
found footage (monument), 2007, Digitaler C-Print
monument, 2005, Mixed Media Installation, Courtesy: Frac Alsace, Sélestat
untitled (memorial, shifted), 2007, Mixed Media Installation
untitled (base, curtain, 25 lances)
, 2007, Mixed Media Installation

Zwischen den Videoarbeiten durchquert der Besucher verschiedene museale und archivarische Settings. In Raum 2, der eine Reihe neuer und bereits bestehender Arbeiten in einer offenen Assoziation miteinander verbindet, untersucht und verkehrt Buth diverse Formen, Materialien, Insignien und Oberflächen der öffentlichen Repräsentation: wie etwa das Monument, die Sammlung, den roten Teppich, Markennamen etc. Zugleich tauchen hier, wie in den anderen Räumen, Elemente auf – etwa das Landschaftsbild oder die Schreibmaschine – die wiederholt ins Spiel gebracht werden.

RAUM 3
 
untitled (archive), 2009, Mixed Media Installation

In Raum 3, der als Archivraum inszeniert ist, sind Auszüge aus Robert Müllers expressionistischem Roman Die Tropen zu hören, denen die westlichen Angst- und Befreiungsprojektionen auf die „wilde Natur“ eingeschrieben sind. Offenbar hat der amerikanische Sprecher zuweilen Schwierigkeiten mit dem Vorlesen des deutschen Textes. Er wiederholt schwierige Passagen mehrfach oder setzt die Betonung „falsch“. Eine Diaprojektion zeigt 81 historische Schwarzweiß-Fotografien verschiedener exotischer Landschaften, während der gegenüberliegende Diaapparat 81 Mal denselben Sonnenuntergang auf die Wand projiziert, der überdies auch in den Videoarbeiten sowie im letzten Raum des Parcours auftaucht.

RAUM 4
 
O, My Kalulu!, 2009, fünfteilige Videoproduktion (Teil 2, Brothers), 5:06 Min.

Während Teil 1 der Videoarbeit (Entdeckung) die erste Begegnung zwischen Selim und Kalulu aufgreift und vor allem der Betrachtung und Beschreibung von Selims Schönheit gewidmet ist, fokussiert Teil 2 (Brüder) das an Hochzeitszeremonien erinnernde Ritual der Besiegelung von Blutsbrüderschaft.

RAUM 5
 
70 Fotografien (Desire in Representation), 2004 –2009
Register (Desire in Representation), 2009, in Zusammenarbeit mit Till Gathmann, 11 Plakate
Desire in Representation, 2008, 2-teiliges Künstlerbuch, in Zusammenarbeit mit Till Gathmann

In ihrer Fotoserie zum Königlichen Museum für Zentralafrika lenkt Buth den Blick nicht nur auf dessen zoologische und anthropologische Exponate, sondern auch auf dessen Inszenierungselemente (Mobiliar, Wandgestaltung, Beleuchtung), Informations- und Sicherheitsdisplays sowie auf Übergangssituationen zwischen Ab- und Umbauarbeiten oder öffentlichen und nicht öffentlichen Bereichen der Institution. Es geht um die Blickregime, Ordnungsprinzipien und Distanzierungstaktiken des Museums.
Dabei fokussiert Buth weniger die prachtvolle Anhäufung erbeuteter Trophäen, als vielmehr die Leerstellen und Brüche der musealen Präsentation, deren uneinheitliches Design auf verschiedene Epochen zurückgeht. Sanierungsmaßnahmen künden wiederum von der Zukunft des Hauses, das ab 2010 weitreichend umgebaut werden soll.
Bedeutsames erscheint in Buths Fotografien oftmals nicht im Zentrum, sondern an den Rand oder gar aus diesem heraus gerückt, wie etwa ein angerissenes Diagramm, von dem man gerade noch erfährt, dass es belegen möchte, dass die Phase des Kolonialismus im Kongo vergleichsweise kurz gewesen sei. Eine „Randbemerkung“, die auf einen zentralen Konflikt des Brüsseler Museums verweist, dessen umfassende selbstkritische Auseinandersetzung mit Belgiens Kolonialgeschichte noch immer aussteht. Stattdessen versucht man anscheinend, diese Geschichte zu verharmlosen.
Museen sind Orte des Exponierens bei Berührungsverbot. So bannen und verwalten sie den Tod, das Verdrängte und die Geschichte. Sie sind ein zentrales Instrument hegemonialer Diskurse sowie der Festschreibung des „Anderen“, dessen Bezwingung sie mit großem inszenatorischen Aufwand vorführen. In Buths Fotografien zeugen die sichtbaren Spuren der Veränderung jedoch davon, dass jemand Hand angelegt hat, dass das Berührungsverbot aufgehoben wurde. Auch das Motiv des Exponierens wird durchbrochen, indem wir nicht nur häufig auf leere Vitrinen, Wände oder Vorhänge blicken, sondern die Exponate, sofern sie zu sehen sind, nur selten im Mittelpunkt stehen. Durch eine doppelte Bewegung, die zu den Kontroll- und Ordnungsinstanzen des Museums hinführt und sie zugleich entkräftet, schafft Buth Raum für das, was das Museum zu verbergen sucht.

In dem Register, das dem Buchprojekt entnommen ist, verarbeitet Buth weitere Aufnahmen aus dem Tervurener Museum, die, im Unterschied zur Fotoserie, auch Besucher zeigen: zum Beispiel während der Ausstellung Memory of Congo. The Colonial Era (2005), in der sich das Museum erstmals – jedoch äußerst verhalten – mit der Kolonialisierung des Kongos befasste. Andere Aufnahmen zeigen Momente der populären Aneignung des Museums, dessen prachtvolle Fassade und Parkanlage gerne als Kulisse für Hochzeitsfotos gewählt werden.
Neben Buths Fotos und Filmstills enthält das Register zahlreiche historische Dokumente zur belgischen und deutschen Kolonialgeschichte, zur Unabhängigkeit des Kongos und postkolonialen Kontexten, zu Henry Morgan Stanley sowie zu dessen langjährigem afrikanischen Diener, Kalulu, und Stanleys arabischem Expeditionsgehilfen Selim. Landschafts- und Jagdmotive, ethnologische Exponate oder Bilder von Ureinwohnern verweisen auf die europäischen Konstruktion des „Anderen“ als „edlen“ oder „wilden Wilden“. Karten sowie Bilder von Verkehrswegen und Fabriken bringen die territoriale und ökonomische Ausbeutung Afrikas ins Spiel. Fotografien von Fred Holland Day aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert zeugen von der Verschränkung homoerotischer Ästhetiken mit Motiven des Exotischen. Hinweise auf die Schriftstellerin Colette sowie die offen lesbisch lebende Amerikanerin Natalie Clifford Barney, die in den 1920er Jahren in Paris eine Frauenakademie gründete, führen feministische Kontexte, Cross-Gender-Praktiken und Fragen zur weiblichen bzw. lesbischen Repräsentation ein.
Die Bilder des Index entstammen unterschiedlichster Quellen. So findet sich auch eine Fotografie des zeitgenössischen Künstlers Guy Tillim, das eine demontierte Skulptur Stanleys zeigt, die auf einem Boot abgelegt wurde, auf das wiederum ein schwarzer Junge uriniert.
Auch die Texte sind verschiedenster Provenienz, darunter zum Beispiel die eigentümlichen Objektbeschreibungen des Auktionshauses Christies (das ein Konvolut aus Stanleys Nachlass versteigerte), die zwischen dem nüchtern faktischen und dem fetischisierend anekdotischen changieren.
Die Anordnung von Texten, Bildern und Quellenangaben folgt in diesem Register nur scheinbar klassischen archivarischen Ordnungsprinzipien, die vielmehr durch die De- und Rekontextualisierung des Materials sowie dessen nicht lineare Strukturierung durchbrochen werden.

RAUM 6
 
Ohne Titel (Please Convey To the King), aus der Serie „travelogue“, 2007, Einritzungen auf Glas, Holz, Farbe, Courtesy: Privatsammlung, Berlin
Ohne Titel (Labor), 2009, Mixed Media Installation

Die vorhandene Architektur aufgreifend, hat Buth auf dem Marmorboden eines Ecksaales ein quadratisches Feld aus diversen technischen Glasobjekten arrangiert, dessen Anordnung gleichermaßen an das Materiallager eines aufgelösten Labors wie an eine (Natur-, industrielle oder urbane) Landschaft erinnert. Die einzelnen, zum Teil höchst aufwendig gestalteten Glasobjekte verweisen zudem auf die alchimistischen Obsessionen der Forschungswelt.

RAUM 7
 
O, My Kalulu!, 2009, fünfteilige Videoproduktion (Teil 3, Hunt), 4:35 Min.

Die Bildinszenierung des dritten Teils der Videoarbeit, in dem ein wildes Tier besiegt wird und Selim Kalulu verspricht, ihn in die Zivilisation zu führen, wird insbesondere durch ein Porträt Selims bestimmt, das einer Fotografie Fred Holland Days nachempfunden ist, die das exotisierende Porträt eines Jünglings zeigt.

RAUM 8
 
knight of the pen, 2009, Schreibtisch, Schellack
untitled (shaved red carpet), 2008, Teppich, Holz, Courtesy: Privatsammlung, Stampe
untitled (figure), 2008, Teppich, Holz, Courtesy: Privatsammlung, Berlin
untitled (fever, cabinet), 2007, Video, Schrank, Courtesy: Privatsammlung, Celle
untitled (aberration, cabinet), 2009, Video, Schrank
untitled (portrait, portrait, portrait), 2007, Teer, Schellack, Chipboard, Courtesy: Privatsammlung, Berlin
a lion shot at midnight, 2005, Teer, Bitum, Kunststoff, Courtesy: Privatsammlung, Berlin
untitled (stallions, cabinet ), 2009
O, My Kalulu!,
2009, fünfteilige Videoproduktion (Teil 4, Loss), 6:50 Min.

In Raum 8 betritt der Besucher einen Raum im Raum, der gleichermaßen als Museumskoje, Bühne oder Verkaufsdisplay in Erscheinung tritt und wie das Arbeitszimmer einer berühmten Persönlichkeit inszeniert ist. Im Zentrum wird ein mit Schellack bearbeiteter mächtiger Schreibtisch präsentiert, der von Sammlungsobjekten – Möbeln, Bildern, „Tapisserien“, Porzellanpferden – umgeben ist. Teils handelt es sich dabei um Arbeiten der Künstlerin, teils um gefundene Objekte, die wiederum zum Teil von der Künstlerin bearbeitet wurden. Wie etwa die Gehäuse von zwei Standuhren, in denen Videos mit kurzen geloopten Szenen aus Abenteuerfilmen der 1950ger Jahre zu sehen sind: ein Mann im Fieberwahn; ein Mann, der in einer Höhle umherirrt.

Ebenfalls in Raum 8 ist das vierte „Kapitel“ der Videoarbeit O, My Kalulu! (Verlust) zu sehen, in dem Kalulu verschwindet und Selim um dessen Verlust trauert.
 
RAUM 9
 
Soundinstallation (Sounds O, My Kalulu!), in Zusammenarbeit mit Frank Schubert

Ein weiterer Raum im Raum greift die oktogonale Form der vorhandenen Architektur auf. Im Inneren sind an den Wänden eine Reihe älterer Lautsprecher von unterschiedlichstem Design montiert, die mit Messgeräten sowie einem zentralen Lautsprecher in Verbindung stehen. Wie in einem Tonarchiv sind hier nacheinander die Geräuschkulissen der Videoarbeit zu hören, wobei der zentrale Lautsprecher jeweils das Thema vorgibt, dem die anderen folgen.

RAUM 10
 
Dioramen, 2009, Mixed Media Installation
O, My Kalulu!, 2009, fünfteilige Videoproduktion (Teil 5, Savior), 7:11 Min.

Der letzte Projektionsraum der Videoarbeit O, My Kalulu!, der wie ein Guckkasten arrangiert ist, wird von drei durch die Künstlerin gestaltete Dioramen eingeleitet, deren üblichen Gestaltungselemente stark überspitzt werden. Es handelt sich um zerklüftete Landschaften, in denen verschiedene, zum Teil absurde Szenerien eingebaut sind, sowie um die plane Struktur einer barocken Parkanlage, wie sie zum Beispiel das Tervurener Museum umgibt.
Der letzte Teil der Videoarbeit bezieht sich auf das Wiederfinden und Ersteigern des versklavten Kalulus und verbindet Bildräume der Renaissance mit Anspielungen auf die Eleganz gehobener Auktionshäuser und billiger Teleshops.
 
RAUM 11
 
untitled (library), 2009
Wandtapete (Landschaft), 2009

Während in den Videoarbeiten mehrfach das Motiv des „Tableau Vivants“ aufgegriffen wird, scheint der Besucher in den installativen Räumen der Ausstellung jeweils eine andere Bühne zu betreten, quasi selbst zum Element eines „lebendigen Bildes“ (oder Dioramas) zu werden.
Der letzte Raum bezieht sich direkt auf das Produktionsstudio der Film- und Fernsehillusion. Zugleich verweist eine große Bücherwand mit ihren diversen Titeln und Covern auf die westliche Reise- und Abenteuerliteratur und deren Projektionen auf das Andere. Abgeschirmt durch dickes Sicherheitsglas, werden die größtenteils der Trivialliteratur entstammenden Werke zu unantastbaren Fetischobjekten erhöht.

deueng
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