Liselotte Hermes da Fonseca (Hamburg)

Einen Menschen ausstellen
Mittwoch, 11. November 2009, 19 Uhr

Kolonien dienten Europa im 19. Jahrhundert nicht nur als Quelle von Rohstoffen für eine wachsende Industrie. Die vielen neu entstehenden wissenschaftlichen Museen füllten ihre Räume mit „Material“ aus der Fremde – als Grundlage und als sichtbarer Beweis einer Forschung über „den Menschen“. In die Kolonien schickte man – geradezu im Gegenzug – diejenigen, die in der eigenen Gesellschaft keinen Platz haben sollten: in die Strafkolonien.
Beanspruchten die wissenschaftlichen Museen dabei nicht nur zu bewahren, sondern zu retten, was vom Tode bedroht war, sollten die Strafkolonien die Lebensformen aufnehmen, die man „auszurotten“ trachtete. Ein im Kampf errungener Kopf im Einmachglas wurde so nicht nur zum Objekt eines positivistischen Wissens vom Menschen, sondern zugleich zum Beweis einer Erhaltung des vom Aussterben bedrohten Menschen. Die Strafkolonisten, deren Leben hingegen als lebensunwert galt, wurden lebendig ausgestellt, um zu verschwinden.
Diese Kreuzung von Ein- und Ausschluss der Menschen – die Leben und Tod im Namen des Lebens verwechselt – ist „In der Strafkolonie“ von Franz Kafka nicht nur kritisch beschrieben, sondern auf so eigentümliche Weise aufgenommen, dass sie eine Problematik der Kritik selbst zu lesen gibt: Eine Grenze der Repräsentation zeigt sich, die Leben ein- oder auszustellen vermag. Alternativen zum aufgenommenen Wissen tun sich auf, ohne dieses zu verwerfen und als ganz anderes auszuschließen. Die Erzählung gibt entsprechend nicht nur Wissen des 19. Jahrhundert wieder, wie es z.B. in den populären Reiseberichten von H. M. Stanley zu lesen ist, sondern auch wie es in vielen zeitgenössischen Ausstellungen – wie z.B. von Peggy Buth – zu sehen ist.

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