Titos Bunker

27. Mai 2017 – 6. August 2017

belit sag, Ayhan and me, Video, 2016

Dorian de Rijk
Bernd Behr, Amoy gardens, 2003/2007
Lyubov Matyunina
David Brognon/Stephanie Rollin, Famous People Have No Stories (Marie de Nazareth), seit 2013
Olga Chernysheva, Compossibilities, 2013
Edith Dekyndt, Provisory Object 03, 2004
James T. Hong, Cuta Ways Of Jiang Chu Gen - Forward And Back Again, 2012
Susanne Kriemann, Pechblende (Prologue), 2016
Dorit Margreiter, Gescheitertes Modell eines geschlossenen Systems, 2006
Vesna Pavlovic, Fabrics of Socialism. Fototeka, 2013/2017
Sandra Vitaljic, "Slana, Croatia" aus der Serie "Infertile Grounds", 2009

Künstler_innen
Taysir Batniji, Bernd Behr, David Brognon / Stéphanie Rollin, Annalisa Cannito, Olga Chernysheva, Edith Dekyndt, Jan Peter Hammer, James T. Hong, Milomir Kovacevic, Susanne Kriemann, Dorit Margreiter, Eduardo Paolozzi, Vesna Pavlovic, Dan Perjovschi, Lia Perjovschi, Jorge Ribalta, Alexander Sokurow, The Errorists (Hilary Koob-Sassen, Andreas Köhler & collaborators), Sandra Vitaljic, Jan-Peter E.R. Sonntag und andere

Kurator_innen
Iris Dressler, Hans D. Christ

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Einführung
Ausgangspunkt dieser Ausstellung, die vom 27. Mai bis 6. August 2017 im Württembergischen Kunstverein stattfindet, ist ein besonderer Ort: Titos Bunker in Konjic (Bosnien-Herzegowina), der gleichermaßen als konkreter Ort und offene Metapher verhandelt wird.

Von 1953 bis 1979 ließ der damalige Staatschef Jugoslawiens, Josip Broz Tito, unter strengster Geheimhaltung in der ca. 40 km von Sarajevo entfernten Gemeinde Konjic einen gigantischen und – zumindest theoretisch – atomwaffensicheren Bunker erbauen. In diesem 300 Meter tief in einen Berg gefrästen und 6.500 qm umfassenden Bau sollten im Falle eines Atomkrieges 350 auserwählte Vertreter der politischen und militärischen Elite des Landes Schutz finden und überleben – darunter eine einzige Frau: Titos Gattin Jovanka B. Broz. Tito selbst überlebte die Fertigstellung des Bunkers nur um ein Jahr.
Erst Ende der 1990er-Jahre wurde das 4,6 Milliarden Dollar teure Bauprojekt öffentlich bekannt. Zu diesem Zeitpunkt hatte es zwar noch keinen Atomkrieg gegeben, doch die Nation, zu deren Überleben (genauer, dem seiner „Eliten“) der Atombunker einst gebaut worden war, gab es nicht mehr: sie hatte sich quasi atomisiert.

2011 gelang es den beiden Künstler_innen Edo und Sandra Hozic die Project Biennial D-0 ARK ins Leben zu rufen, deren permanenter Standort Titos Bunker ist. Ziel ist dabei, mit der Biennale eine Sammlung entstehen zu lassen, die nach 2019 zur Gründung eines Museums im Bunker führen soll.

Iris Dressler und Hans D. Christ wurden eingeladen, 2017 die 4. Project Biennial zu kuratieren. Parallel dazu haben sie eine Ausstellung für den Württembergischen Kunstverein entwickelt, um den Bunker nicht nur an Ort und Stelle, sondern auch aus einer gewissen Distanz – in Abwesenheit bzw. als Phantom – reflektieren zu können.

Während sich ihr Projekt für den Bunker, in dem bereits über 120 Werke aus den vorhergehenden Biennalen installiert sind, auf sechs neue künstlerische Interventionen beschränkt, geht es in Stuttgart darum, auf der Basis eines breiten künstlerischen Spektrums verschiedene Referenz- und Assoziationsketten ins Spiel zu bringen. Diese reichen vom Zweiten Weltkrieg über den Zerfall Jugoslawiens bis zu den Kriegsschauplätzen des frühen 21. Jahrhunderts; von der atomaren Bedrohung über die „Gespenster“ des Kalten Krieges bis zum drohenden Ökokollaps; vom Bunker als einer scheinbar autonomen Überlebenskapsel und Wohnmaschine über das System des Museums bis zur Biosphere 2: jenes in den 1990er-Jahren gescheiterte Experiment zur Vorbereitung unserer Flucht auf den Mars.

Die Ausstellung befragt Fiktionen der Kontrolle, Errettung und des Entkommens. Es geht um die „Stunde Null“ als post-katastrophische Projektionsfläche, um Strukturen der Selektion – die dem Bunker wie dem Museum zu Eigen sind –, um Motive der Tarnung und Verdrängung, um dystopische aber auch utopische Räume. Die eingeladenen Künstler_innen greifen diese und weitere Aspekte sowohl direkt als auch indirekt auf.

Zu den über zwanzig künstlerischen Werken – darunter Videoarbeiten, umfangreiche Fotoserien, Installationen und Objekte – zählen auch diejenigen, die für Titos Bunker produziert und für Stuttgart weiterentwickelt oder reproduziert worden sind. Sie setzen sich insbesondere mit den Infrastrukturen des Bunkers sowie seiner geplanten Transformation von einem militärischen Schutzraum in ein Kunst- und Militärmuseum auseinander.

Neben künstlerischen Arbeiten umfasst die Ausstellung auch eine Reihe von historischen und aktuellen Referenzmaterialien, darunter der Kultfilm Atomic Café von 1982 (Regie: Jayne Loader u.a.), diverse Magazine, wie das zwischen den 1970er- und 1990er-Jahren erschienene jugoslawische Wissenschafts- und Science-Fiction-Magazin Galaksija oder Informationen zum „Zentraler Bergungsort der Bundesrepublik Deutschland“, der sich in einer stillgelegten Silbermine in Oberried befindet. Hier wird das deutsche Kulturgut auf Mikrofilm in mittlerweile 1.500 Edelstahlbehältern vor Kriegen geschützt …

Im Rahmen der Ausstellung findet eine Reihe von Filmvorführungen, Vorträgen,  Ausstellungsrundgängen und weiteren Veranstaltungen statt. Zu den Filmen zählen Marcel Ophüls Opus Veillées d'armes (1994) über die Belagerung Sarajevos und den „Journalismus in Zeiten des Krieges“ sowie Jimmy T. Murakamis berührender Animationsfilm When the Wind Blows (Wenn der Wind weht, 1984), der die Chancenlosigkeit gegenüber Atomwaffen vor Augen führt.

Zur Ausstellung erscheint eine Broschüre.

deueng
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