Thom Barth

01.11.1997 - 14.12.1997

DAS GROSSE DING, DIE ARBEIT UND DER SCHRANK

Thom Barths künstlerisches Anliegen gilt der fortwährenden Reflexion einer Welt, die gleichermaßen von der "Telepräsenz" und vom "Geschwindigkeitsexzess" (Virilio) gekennzeichnet ist. Er arbeitet mit Offsetfolien, wie sie beim Druckprozeß anfallen; sie werden mit Fotokopiefolien eigens gewählter Motive, Zeichen und Texturen vermischt: synthetisierte Wegekarten durch unsere Apparate-und Medienwelt. Sein Projekt DAS GROSSE DING, DIE ARBEIT UND DER SCHRANK, das er eigens für den Württembergischen Kunstverein konzipiert hat, geht von einem gewaltigen halbtransparenten Kubus aus, dessen Oberfläche mit Porträts umspannt ist: Bilder von Staatsoberhäuptern und Massenmördern, Models, Stars und Kindergesichtern; sie zeigen die Frau und den Mann auf der Straße, Wissenschaftler, Dichter, Industrielle, Namhafte und Namenlose. Die Welt, die uns angeht: das sind Menschen.
Thom Barth verwandelt unterdessen die telematische Präsenz. Er stellt sie still und macht sie dem anschaulichen Denken zugänglich. Und mehr noch: sie wird bearbeitet. Denn der Würfel wird von sechs Schreibtischen in der Schwebe gehalten. Sie dienen als Arbeitsplätze für Leute, die während der gesamten Ausstellungsdauer an Begriffen arbeiten, welche die sechs Raumrichtungen des Kubus bezeichnen: Vorne, Hinten, Rechts, Links, Oben und Unten. Damit eröffnet sich ein Kanon von Metaphern, Anschauungs-und Denkformen, der weit in die Geschichte der abendländischen Kultur zurückreicht. Utopie, Tod, Kindheit, das Gute, Himmel, Herrschaft, soziale Ungerechtigkeit, Hölle - all das, was den philosophischen, soziohistorischen und künstlerischen Fragehorizont seit Jahrhunderten ausgemacht hat, steht jetzt erneut zur Disposition: eine Erinnerungs-und Forschungsarbeit als Instant-Theater, wie der Künstler es nennt.