Ausstellungsansicht, Sofia City Art Gallery, 2007
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Ausstellungsansicht, Sofia City Art Gallery, 2007
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Ausstellungsansicht, Sofia City Art Gallery, 2007
Karte (Gesamtansicht)

Background Action, 2006/7

Vierteilige multimediale Rauminstallation

· Diaprojektion (Kartografie einer Filmproduktion in Raum und Zeit)
· Neun-Kanal Videoinstallation (Erzählungen der Statisten)
· Foto/Videoinstallation (Einer gegen Viele)
· Videoinstallation (Überall zur selben Zeit)



Im April 2003, knapp einen Monat nach Ausbruch des Irakkriegs, begann die Produktion eines der bis dahin teuersten Spielfilme Hollywoods, Wolfgang Petersens Troy mit Brad Pitt und Eric Bana in den Hauptrollen, gewidmet einem Kriegsepos der Antike. „Um mein Leben, die Art, wie ich lebe, und meine Überzeugungen zu verteidigen, würde ich auch in den Krieg ziehen“ sollte Brad Pitt, Darsteller des Archilles, später von der Berliner Morgenpost im Rahmen der Premiere zitiert werden (Berliner Morgenpost, 10. Mai 2004).

Krassimir Terzievs Dokumentarfilm The Battles of Troy (2005) sowie die daraus entwickelte Installation Background Action (2006/07) zeichnen im Stil eines „Making Of“ die globalen Verflechtungen dieser Hollywoodproduktion nach. Drehorte von Troy waren Shepperton in Großbritannien, die Insel Malta sowie Baja California Sur in Mexiko. Zunächst sollten die Hauptschlachten in Marokko gedreht werden. Doch auf Grund des Irakkriegs mussten die Produzenten nach Mexiko ausweichen, einem Billiglohnland der US-amerikanischen Filmindustrie. Darüber hinaus ließen sich Arbeitskräfte rekrutieren, die noch günstiger als die lokale Bevölkerung waren, sodass es sich rentierte, sie aus dem 16.000 km entfernten Bulgarien einfliegen zu lassen. 300 bulgarische Statisten wurden, vermittelt durch die Sportakademie in Sofia, als „Elitetruppe“ mit der Begründung angeworben, dass ihre Physiognomie dem griechischen bzw. trojanischen Typus besser entspräche, als die der Mexikaner. Zudem waren sie  für zwölf – bzw. nach einem Streik für 22 – US$ am Tag zu haben.

Krassimir Terzievs „Making Of“ nimmt dieses Genre beim Wort und führt es vom Promotionfilm auf die Ebene der Dokumentation zurück. Am Beispiel der Produktion von Troy zeichnet es entlang von Interviews, Kartografien, Szenen aus dem Spielfilm sowie Aufnahmen am Drehort die Mikro- und Makrostrukturen der globalen, ökonomischen wie geo-politischen Implikationen der Filmindustrie nach. Gilt die Superlative „teuerste Filmproduktion aller Zeiten“ als Erfolgsgarant der Branche, setzt Terziev an deren Ausbeutungsstrukturen und Armutsverwertung an. Zu Wort kommen nicht der Regisseur oder die Hauptdarsteller, der Produzent oder die Experten für Spezialeffekte, sondern die bulgarischen Statisten. Sie, die im Film stumm, reine physische Repräsentation von Masse sind, erzählen nicht nur über ihre individuellen Erfahrungen. Von ihnen stammen auch die Aufnahmen aus Mexiko: Reisebilder und zugleich Szenarien, in denen sie selbst zu Hauptdarstellern für Sekunden werden.

Auf vielschichtige Weise lenkt Background Action den Blick auf die Durchdringungen zwischen der verfilmten Kriegslegende und der realen Gewalt: in Form von Ausbeutung, der physischen Überforderung durch Hitze und Arbeitsunfälle oder den sozialen, teils handfesten Konflikten zwischen den multiethnischen Statisten. Abgesehen davon, dass die Produktion von Troy von einem faktischen Krieg eingeholt wurde, verweist Terziev auf eine Reihe weiterer Analogien zwischen der Hollywoodproduktion und militärischen Operationen. So wurde die Auswahl der bulgarischen Statisten von Militärexperten durchgeführt. Nicht zuletzt erinnern die Kartografien, mit denen Terziev die globalen Operationen der Produktion von Troy nachzeichnet,  an militärische Planspiele.

Gekämpft wurde offensichtlich nicht nur um billige Arbeitskräfte, sondern auch um die Teilhabe an Aufmerksamkeitsökonomien. So hatten sich die türkische Regierung sowie das türkische Ministerium für Tourismus und Kultur darum bemüht, dass die Dreharbeiten am „Originalschauplatz“, auf dem Hisarlik Hügel in Kanakkale, stattfinden. Vergeblich. Nicht einmal die Premiere wurde hier, sondern in Berlin zwischen Sony-Center und Antikenmuseum gefeiert. Der Stadt Kanakkale schenkte man das Trojanische Pferd, das für Troy gebaut worden war. In Berlin dagegen war Heinrich Schliemanns Troja zu sich selbst zurückgekehrt. Ist Troja nicht auch ein deutsches Abenteuer, eine deutsche Legende?

Das Abenteuer in Background Action ist indes eine Reise in das Prekariat, eine Art Prekariatstourismus. Die Schlacht wird ausgetragen zwischen schlecht bezahlten und noch schlechter bezahlten Körpern. „Manchmal war es zwischen den Bulgaren und Mexikanern wie in einem richtigen Kampf “ sagt Borislav Limonov, einer der Statisten. Terziev fokussiert die bulgarische Seite des konfliktuösen Abenteuers, ohne jedoch eindeutig Partei zu ergreifen. Vielmehr legt er die Ambivalenz der Situation offen: zwischen Ausbeutung, Konkurrenz, Naivität, Narzissmus und Selbstbehauptung.
(Auszug aus: Iris Dressler, "Precariation NOW!", in: Extra Work, Stuttgart 2007)


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