Territorien des In/Humanen

Vortragsreihe

Matilde Cassani / Michael Guggenheim; Nomeda und Gediminas Urbonas / Michel Verlaine; Lukas Einsele / Ritta Baddoura; Christine Meisner / Ricardo Tamayo; Björn Franke / Frieder Nake

Die Vortragsreihe, bei der jeweils ein Künstler der Ausstellung Territorien des In/Humanen auf einen Gastreferenten trifft, greift verschiedene Aspekte der Thematik auf und vertieft sie in Präsentationen und Gesprächen. Sie wird organisiert vom Programm art, science & business der Akademie Schloss Solitude.
Beginn ist jeweils Donnerstags um 19 Uhr. Die Ausstellung ist an diesen Tagen während der Veranstaltung geöffnet. Die ersten drei Abende finden in englischer Sprache statt, die letzten beiden Abende in deutscher Sprache.

Kosten

4 Euro regulär
2 Euro ermäßigt
frei für WKV-Mitglieder und Solitude-Stipendiaten

Programm

Donnerstag, 17. Juni 2010, 19 Uhr

Matilde Cassani / Michael Guggenheim (Englisch)

Matilde Cassani (Architektin/Künstlerin, Mailand)
Sacred Interiors in Profane Buildings + Spiritual Devices

Matilde Cassani hat für ihr Projekt Spiritual Devices eine umfangreiche Untersuchung zu den zentralen Anforderungen an Raum, Mobiliar und andere Objekte für die Gebetsrituale von vier Weltreligionen durchgeführt. Dabei hat sie sich insbesondere an den provisorischen, teils inoffiziellen Gebetsräumen religiöser Minderheiten in europäischen Städten orientiert, um den Fragen nachzugehen, welchen Einfluss religiöse Pluralität auf zeitgenössische Städte ausübt und an welchen neuen urbanen Orten sie sich manifestieren kann.

Michael Guggenheim (Soziologe, London/Zürich)
(In-)Human Laws in (In-)Human Territories. Zoning Laws, Assisted Suicide, and Minarets

In seiner soziologischen Studie erörtert Michael Guggenheim, wie religiöse Praktiken zu Räumen und Gebäuden in Beziehung stehen und was passiert, wenn Bauvorschriften dafür genutzt werden, um verschiedene Praktiken zu integrieren, auszuschließen oder zu verändern. In der Schweiz wurde versucht, die Praxis der Sterbehilfe sowie die Errichtung von Minaretten per Baugesetzgebung zu unterbinden. Das Recht des Staates, sein Territorium zu definieren und zu regeln, wie Menschen bauen dürfen, steht in Konflikt mit dem Wunsch meist ausländischer Mitbürger nach Selbstbestimmung und Glaubensfreiheit.

Donnerstag, 8. Juli 2010, 19 Uhr

Nomeda und Gediminas Urbonas / Michel Verlaine (Englisch)

Nomeda und Gediminas Urbonas (Künstler, Vilnius/Cambridge)
Druzba
 
Die Multimedia-Installation Druzba (zu Deutsch „Freundschaft“) von Nomeda und Gediminas Urbonas bezieht sich auf die gleichnamige Erdöl-Pipeline, die vom Ural bis Ostdeutschland reicht, und ihre politischen Verschränkungen. Die mittlerweile privatisierte Pipeline versorgte den gesamten damaligen „Ostblock“, war ein Symbol der Verbundenheit unter den sozialistischen Staaten sowie ihrer Unabhängigkeit gegenüber den westlichen Märkten.

Michel Verlaine (Wirtschaftswissenschaftler, Nancy)
Rationality and Finance
 
In seinem Vortrag analysiert Michel Verlaine die hinter kapitalistischen Finanzmodellen der westlichen Märkte stehenden rationellen Annahmen und wie der feste Glaube an objektives Wissen bei Entscheidungsträgern vermutlich die aktuelle Finanzkrise herbeigeführt hat. Die Rolle des Subjekts in Entscheidungsprozessen, die im Finanzwesen oftmals von ungewissen Komponenten bestimmt sind, ist in der Finanztheorie eine bekannte Größe – und zugleich bleibt das Subjekt das unbekannte Wesen.

Donnerstag, 15. Juli 2010, 19 Uhr

Lukas Einsele / Ritta Baddoura (Englisch)

Lukas Einsele (Künstler, Darmstadt)
The Many Moments of a M85—Zenon’s Arrow Retraced

Lukas Einsele verfolgt in seinem Projekt die Flugbahn der israelischen Streumunition M85 in umgekehrter Reihenfolge: vom Ort ihres Aufschlags im Südlibanon zurück zu den Wurzeln ihrer Entstehung. Welche Menschen, Institutionen, Unternehmen, Parteien etc. sind in die verschiedenen Stationen der Flugbahn involviert, wie ist ihre Beziehung zur M85 und zueinander?

Ritta Baddoura (Schriftstellerin/Geisteswissenschaftlerin, Beirut/Montpellier)
Hitch-Hiking on a M85 Route—A Road Trip Attempt in 5 Movements And a Finale

Ritta Baddoura wurde durch ihren Blog „Ritta amidst the bombs“, den sie – gefangen in ihrer Wohnung in Beirut – im Sommer 2006 begann, in der Öffentlichkeit als Schriftstellerin bekannt. In ihrer Lecture-Performance wird sie ausgehend von der Blog-Lyrik u. a. Bezug nehmen auf Streumunition, Fragen der Erinnerung, die Rekonstruktion von Fragmenten, TV-Roboter und schließlich das Pfeil-Paradoxon des Zenon von Elea.

Donnerstag, 22. Juli 2010, 19 Uhr

Christine Meisner / Ricardo Tamayo (Deutsch)

Christine Meisner (Künstlerin, Berlin)
The Present—…, “Can you turn back?”

The Present setzt sich in Zeichnungen, Videos und einer Erzählung mit den historischen Beziehungen zwischen Europa und der Demokratischen Republik Kongo auseinander. Im Zentrum stehen verschiedene Perspektiven, die zumeist mit einer Person und ihrer spezifischen Erinnerung verbunden sind und die Diskrepanz zwischen institutionalisierter und individueller Aufarbeitung von Geschichte und der Bedeutung von historischen Orten darstellen. In dem Vortrag wird Christine Meisner von ihrer Arbeit berichten und einzelne Passagen aus ihrer Video-Erzählung …, „Can you turn back?“ vorstellen.

Ricardo Tamayo (Psychologe, Barranquilla/Berlin)
Erinnerung: Das Labyrinth der Identität

Die Schaffung von Identität ist eng mit der Funktion des Gedächtnisses verbunden: Die kohärente Darstellung des Selbst ist angewiesen auf die kontinuierliche Erinnerung unserer vorherigen Handlungen sowie auf die konstante Rekonstruktion unserer Vorstellungen. Gemäß aktueller Theorien kognitiver Neurowissenschaften verfügen Menschen zumindest über zwei Gedächtnistypen: die explizite und die implizite Form. Ricardo Tamayo wird die Konsequenzen dieser Sichtweise für die Bildung einer persönlichen und kulturellen Identität darstellen und mit klassischen Texten von Octavio Paz und Aristoteles in Verbindung setzen.
 

Donnerstag, 29. Juli 2010, Uhr

Björn Franke / Frieder Nake (Deutsch)

Björn Franke (Künstler, London)
Von menschlichen zu posthumanen Zukunftsszenarien

Technologische Erfindungen in den Bereichen der künstlichen Intelligenz, der Mensch-Maschine-Schnittstellen und Implantattechnologie lösen zunehmend die Grenze zwischen menschlich und nicht-menschlich auf. Diese Entwicklung, der sich Björn Franke in seiner Studie widmet, stellt moralische und ethische Konzepte der menschlichen Identität vor neue Herausforderungen und vermag möglicherweise, das Menschliche nach und nach in ein so genanntes Posthumanes zu transformieren.

Frieder Nake (Informatiker, Bremen)
Semiotisches Tier. Semiotische Maschine – Die Maschinisierung der Arbeit des Kopfes: Ein Fest des inhuman Humanen

Der Mathematiker Felix Hausdorff charakterisierte den Menschen als semiotisches Tier. Die Informatiker bildeten das semiotische Tier bald danach auf einer Maschine ab, dem Computer – so hat sich ein Raum aufgetan zwischen semiotischem Tier und semiotischer Maschine. Ein Entrinnen aus dieser Beziehung, und das sei das Inhumane postuliert Frieder Nake, gibt es nicht mehr. Die Menschen sind aber nicht das, was sie meinen, sie werden es stets erst ...

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