Territorien des In/Humanen

bankleer, dereguliert I, 2004
Bernd Behr, Amoy Gardens, 2003/07
bankleer, niemand, nichts, nie, 2007
Frederico Câmara, Ohne Titel, 2003
Bernd Behr, Amoy Gardens, 2003/07
Matilde Cassani, Spiritual Devices, 2010
Frederico Câmara, Ohne Titel, 2003
Dubravka Sekulic, Russian Pavillions, seit 2004
Matilde Cassani, Spiritual Devices, 2010
Edgar Endress, Video of a Migrant Journey, 2005
Dubravka Sekulic, Russian Pavillions, seit 2004
Björn Franke, Posthuman Futures: Empathy Scale, 2010
Lukas Einsele, The Many Moments of an M85 – Zenon’s Arrow Retraced, 2009/2010
Pia Fuchs, Pan-National Flag, 2009
Edgar Endress, Video of a Migrant Journey, 2005
Mariam Ghani, Kabul 2, 3, 4, 2002 – 2004 (2007)
Björn Franke, Posthuman Futures: Empathy Scale, 2010
Mariam Ghani, Going, Going, Gone, 2009
Pia Fuchs, Pan-National Flag, 2009
Matthew Gottschalk, What is identity?, 2009
Mariam Ghani, Kabul 2, 3, 4, 2002 – 2004 (2007)
Prince Tshime Kalumbwa, Ohne Titel, 2006
Mariam Ghani, Going, Going, Gone, 2009
Iosif Kiraly, Reconstruction – Mogosoaia_Lenin and Groza_4, 2007-2009
Matthew Gottschalk, What is identity?, 2009
Anna Konik, Disco Relaxation, 2000
Prince Tshime Kalumbwa, Ohne Titel, 2006
Korpys/Löffler, Konspiratives Wohnkonzept, 1998–2001
Dagmar Keller / Martin Wittwer, Den Tag Erkennst Du Schon an Seinem Morgen, 2009
Christine Meisner, The Present – Luminous with another than a professional light, 2007
Iosif Kiraly, Reconstruction – Mogosoaia_Lenin and Groza_4, 2007-2009
Christine Meisner, The Present – Made in China, 2007
Anna Konik, Disco Relaxation, 2000
Olivier Menanteau, Das Feld Gegenüber (Das Wissenschaftskolleg zu Berlin), 2004
Aglaia Konrad, Boeing Over, 2007
Nomeda und Gediminas Urbonas, Druzba, seit 2003
Korpys/Löffler, Konspiratives Wohnkonzept, 1998–2001
Monika Oechsler, Strip, 1997
Elke Marhöfer, lookin'out for Wachsamkeit, 2005
Danilo Prnjat, Perfect Lover, 2006
Elke Marhöfer, Erase You (Acéphale mix), 2005/07
p.t.t.red (Stefan Micheel und Hans Winkler), Wallstreet - Moneyfield New York, 1995
Christine Meisner, The Present – Luminous with another than a professional light, 2007
Jan-Peter E.R. Sonntag, 612.43WEISS, 2003-2005/2010
Christine Meisner, The Present – Made in China, 2007
Krassimir Terziev, A Message from Space in my Backyard, 2008/09
Olivier Menanteau, Das Feld Gegenüber (Das Wissenschaftskolleg zu Berlin), 2004
Lan Tuazon, Architectures of Defense, 2010
Nomeda und Gediminas Urbonas, Druzba, seit 2003
Lan Tuazon, Army Park: An Impossible Public Park Proposal, 2009
Monika Oechsler, Strip, 1997
Artur Zmijewski, Eye for an Eye, 1998

Werke in der Ausstellung
Courtesy (wenn nicht anders erwähnt): Die KünstlerInnen

bankleer

deregulie
rt I, 2004

1-Kanal-Videoinstallation, 9:30 Min., Ton: Goh Lee Kwang

Schauplatz dieser Videoarbeit ist ein Schimpansengehege der Stuttgarter Wilhelma, in das die Künstler verschiedene Protestschilder mit neoliberalen Parolen wie „Wir wollen wirkliche Wahlmöglichkeiten“, „Dereguliert tätig sein“ oder „Aufstand ist Arbeit“ platzierten. Die Affen nehmen die Schilder in die Hand, spielen damit, halten sie in die Kamera, kauen darauf herum oder zerreißen sie.

niemand, nichts, ni
e, 2007

Zwei-Kanal-Videoinstallation, 2:30 Min.; drehendes Objekt, Musik: Thomas Leboeg

Die Videoarbeit stellt zwei ehemalige Machtarchitekturen einander gegenüber, deren symbolische Bedeutung obsolet geworden ist: das sich in Auflösung befindende Lenin Museum in Gorki und den damals leerstehenden Palast der Republik in Berlin. Beide Orte wurden zum Zeitpunkt der Aufnahmen insbesondere von Skatern und BMX-Fahrern frequentiert. Die parallel auf zwei Monitoren zu sehenden Aufnahmen werden von einer Stimme aus dem Off begleitet, die Überlegungen zur realen und symbolischen Leere als mögliche Platzhalter des politischen Raumes anstellt. Ein weiteres Element der Arbeit ist eine sich drehende, säulenartige Skulptur aus einem Bauzaunelement.

Bernd Behr, Amoy Gardens, 2003–07

Diashow mit 34 Dias, Audio CD

Amoy Gardens
ist der Name eines Gebäudekomplexes aus Wohnblocks und einer Shopping Mall in Hongkong, der 2002 aufgrund maroder Wasserleitungen und Fehlfunktionen der Lüftungssysteme als das Epizentrum der SARS-Epidemie galt. Die Diaserie zeigt verschiedene nüchterne Ansichten des verlassenen Gebäudes. Aus dem Off liest eine Chinesin eine Abhandlung Le Corbusiers über „Exakte Luft“ vor.

Frederico Câmara, Ohne Titel, 2003

Serie von 6 Fotografien (Auswahl), verschiedene Maße

Die Fotoserie fokussiert leere Affenkäfige und andere Gehege, die der Künstler in der Stuttgarter Wilhelma aufnahm. Die nüchternen frontalen Aufnahmen betonen den Guckkastencharakter und die Funktionalität der Käfige, die eine auf kleinstem Raum komprimierte Interpretation der Bedingungen artgerechter Verwahrung vorführen. Die logistischen Strukturen (Pflege, Schutz, Besucherführung) dominieren das Gestaltungskonzept dieser Räume, in denen auf eine natürliche Umgebung nurmehr zeichenhaft verwiesen wird. Die ausgewählten Fotografien sind Teil eines größeren Projekts, in dem der Künstler die Standards und Spezifika der Gestaltung von Tierkäfigen in Zoos verschiedener Städte untersucht.

Matilde Cassani, Spiritual Devices, 2010

4 mobile Module, je ca. 2 x 1 m

Cassani hat für dieses Projekt eine umfangreiche Untersuchung zu den zentralen Anforderungen an Raum, Mobiliar und andere Objekte für die Gebetsrituale von vier Weltreligionen durchgeführt. Dabei hat sie sich insbesondere an den provisorischen, teils inoffiziellen Gebetsräumen religiöser Minderheiten in europäischen Städten orientiert. In Anlehnung an Konzepte wie die „Frankfurter Küche“ hat sie vier mobile Module entwickelt, in denen auf kleinstem Raum die wichtigsten Standards für das Gebet im Christentum, Islam, Buddhismus und Hinduismus erfüllt werden.

Lukas Einsele, The Many Moments of an M85 – Zenon’s Arrow Retraced, 2009–2010

Texte, Fotografien und andere Materialien

Lukas Einsele verfolgt in seinem Projekt die Flugbahn der israelischen Streumunition M85 in umgekehrter Reihenfolge: vom Ort ihres Aufschlags zurück zu den Wurzeln ihrer Entstehung.

Edgar Endress, Video of a Migrant Journey, 2002
Mit Lori Lee; Video; aus dem Projekt BonDieuBon (seit 2001)

Das Video ist Teil einer umfangreichen Projektreihe, in der sich der Künstler gemeinsam mit der Anthropologin Lori Lee mit Migrationsbewegungen aus und marginalisierten Bevölkerungsgruppen in Haiti auseinandersetzt. Eine Frau, von der nur die Hand zu sehen ist, berichtet über ihre sich im Kreis drehende Fluchtodyssee, die sie im Sprechen zugleich nachzeichnet.

Björn Franke, Posthuman Futures, seit 2007
Forschungsprojekt, Objekte, Illustrationen

Das Projekt setzt sich mit dem Einfluss der Neurowissenschaften – der technologischen Möglichkeiten und Grenzen der Erforschung und Manipulation des Gehirns und Denkens – auf das Konzept des Humanen auseinander. In Form eines interaktiven Artefaktes, eines gleichermaßen fiktionalen, hypothetischen wie funktionalen Testobjektes, wird der Besucher selbst zum potentiellen Probanden einer Studie über das technologische Selbst.

Pia Fuchs (dt. ID von Patricia Reed), Pan-National Flag, 2009

Digitaldruck auf Industrie-Fahnenstoff

Die Pan-National Flag besteht aus einer Überlagerung der Lineaturen aller von den Vereinten Nationen aufgeführten Nationalflaggen. Das filigrane, gleichermaßen rasterhafte wie verwirrende Linienspiel kulminiert in einem zentralen schwarzen Loch. Die Grafik, die auf einen Fahnenstoff gedruckt ist, dessen Maße der Norm von Nationalflaggen entspricht, oszilliert zwischen nationalen Repräsentationsmustern und kartografischen Strukturen, die Zentren und Peripherien, Konzentrationen und Leerräume ausweisen.

Mariam Ghani

Kabul 2, 3, 4,
2002–2004 (2007)

Drei-Kanal-Videoinstallation, Farbe, Ton, 13 Min.

Die Videoarbeit entstand im Zeitraum zwischen 2002 und 2004. In jedem Jahr fuhr die Künstlerin einmal die gleiche Strecke in Kabul ab und filmte sie aus dem Auto heraus. Die Installation fügt die drei Aufnahmen zusammen, so dass man die rasanten Veränderungen der Stadt entlang der Route parallel zu sehen bekommt. Die urbanen Oberflächen spiegeln den Prozess des Wiederaufbaus, die Rückkehr von Flüchtlingen, die enorme Steigerung der Immobilienpreise, den gesellschaftlichen und politischen Wandel, oder die durch die Präsenz von internationalen Helfern bedingte Etablierung paralleler Ökonomien wider.

Going, Going, Gone
, 2009

Video, 4:25 Min.

Die Viedeoarbeit Going, Going, Gone (Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten) zeigt eine rasante Abfolge hunderter Fotografien, die die Künstlerin in New York nach dem Platzen der Immobilienblase aufnahm. Am Rande des Wahrnehmbaren blitzen Fassaden von Häusern, Geschäften, Büro- und Wohnblocks auf, an denen Verkaufs- und Rabattschilder prangen, dann wieder Rohbauten, Brachen, verfallene Gebäude und sich selbst überlassene Leerstände. Die Bilder werden begleitet von einer Collage sich überlagernder Tonfragmente von Fernseh- und Radiomitschnitten: wie ein hilfloses Gestammel, das darum ringt, der Krise Herr zu werden. Das Video umfasst drei Loops, die aus den gleichen rund 300 Bildern bestehen, jedoch jeweils nach anderem Muster aufeinander folgen.

Matthew Gottschalk, What is identity?, 2009

Video

Die Videokamera fokussiert die Puppe eines alten Mannes, der apathisch, wie in Schockstarre auf einem Sessel sitzt, der sich den Umfeldgeräuschen zufolge vor einem Fernseher befindet. Ein kurzer Schwenk hinaus auf die Straße verstärkt nur den Eindruck von Isolation. Durchbrochen wird das regungslose Bild auch von einigen Schwenks durch die Wohnung, bei der ein Mann auftaucht – es ist der Puppenspieler (und der Künstler selbst) –, sowie von einigen merkwürdigen Aktivitäten der verwirrten Puppe. Die lethargische und irritierende Szenerie kulminiert schließlich in einem kurzen Moment, in dem Puppe und Puppenspieler einander spiegelgleich betrachten.

Prince Tshime Kalumbwa, Ohne Titel, 2006

Mit Dorothee Kreutzfeldt. 10 Fineart-Prints (Dokumentation der Aktion), je 30 x 40 cm

Im Rahmen des Workshops Urban Scenography, der 2006 in Kinshasa stattfand, führte der Künstler gemeinsam mit Dorothee Kreutzfeldt ein Projekt im öffentlichen Raum durch, das in einer temporären Signalisierung bestand. Gemeinsam mit den Anwohnern wurden Stellen markiert, an denen marode, offen auf der Straße liegende Elektrizitätskabel verschiedenste Gefahren bergen.

Dagmar Keller / Martin Wittwer, Den Tag Erkennst Du Schon an Seinem Morgen, 2009
2-Kanal Videoinstallation (16:9), Ton, 19:28 Min., Loop
Courtesy: Keller / Wittwer / VG Bild-Kunst, Bonn, 2009

Der Titel dieser in Sofia entstandenen Videoinstallation greift ein bulgarisches Sprichwort auf. Sie stellt Bilder aus zwei unterschiedlichen Wohngegenden der bulgarischen Hauptstadt – einer Hochhaussiedlung und einem wohlhabenden Vorstadtviertel – einander gegenüber, die vor und während des Sonnenaufgangs aufgenommen wurden. Schritt für Schritt zeichnen sich die unterschiedlichen Realitäten beider Schauplätze ab: prekäre Verhältnisse, informelle urbane Strukturen und nicht wählbare soziale Begegnungen einerseits, eine scheinbar gewählte, räumliche und soziale Abschottung andererseits.

Iosif Kiraly


Reconstruction – Berlin_Palast der Republik_5B
, 2004–2009
Fotocollage, 88,5 x 300 cm
Reconstruction – Bucuresti_Coliseum
, 2003–2005

Fotocollage, 42 x 83 cm
Reconstruction – Mogosoaia_Lenin and Groza_4
, 2007–2009
Fotocollage, 126 x 170,5 cm
Reconstruction – Matasari_I Love Europe_2
, 2008–2009

Fotocollage, 42 x 110,5 cm

Die vier Fotoarbeiten, die zu Kiralys umfangreichen Projekt Reconstruction zählen, untersuchen verschiedene Orte in Rumänien und Berlin im Hinblick auf deren postsozialistischen Veränderungen. Sie fokussieren den Umgang mit ehemals symbolträchtigen Bauten und Monumenten oder die unterschiedlichen urbanen und wirtschaftlichen Entwicklungen. Jede Fotoarbeit setzt sich aus zahlreichen Einzelfragmenten zusammen, die zu verschiedenen Zeiten (in Abständen von Minuten bis Jahren) am selben Ort aufgenommen wurden. So ergibt sich ein polyperspektivisches Bild, das die scheinbare räumliche Kontinuität durch eine zeitliche Diskontinuität aufbricht.

Anna Konik, Disco Relaxation, 2000
Installation (rotierendes Harzobjekt, kleine Spiegel)
Courtesy: Art Station Foundation Poznan

Die Installation Disco Relaxation, die im Jahr 2000 entstand, besteht aus einer rotierenden Discokugel in Form eines Totenschädels.

Aglaia Konrad, Boeing Over, 2007
Serie von 20 (von 17-21) Baryt-Drucken
Courtesy: Aglaia Konrad und Galerie Nadia Vilenne, Lüttich

Die Serie umfasst eine Reihe von schwarzweißen Luftaufnahmen, die die Künstlerin aus dem Fenster eines Flugzeugs aufnahm. Flüsse, Berge, urbane und landwirtschaftliche Raster, Wüsten oder Verkehrswege erscheinen wie abstrakte Chiffren einer entrückten Wirklichkeit, ähnlich den Strukturen auf einer Röntgenaufnahme. Der Blick eines sich von der Welt lösenden und der Blick eines in diese eindringenden Auges scheinen zusammenzufallen.

Korpys/Löffler, Konspiratives Wohnkonzept, 1998–2001
Designrecherche: 4 Zeichnungen, Zeichentusche auf Papier, je 116,5 x 189 cm;
Entwürfe: 3 Zeichnungen, Tusche und Farbstift auf Transparentpapier, je 50 x 65 cm;
Ausführung: 3 C-Prints, je 187 x 180 cm
Courtesy: Korpys / Löffler und Galerie Meyer-Riegger, Karlsruhe

Die mehrteilige Arbeit basiert auf einer ausführlichen Recherche der Künstler über die Ermittlungen zu einem Banküberfall der RAF in Bremen, der sich 1977 ereignete und die Beamten schließlich in eine Wohnung in Hannover führte, die sie als Versteck der am Überfall beteiligten RAF-Mitglieder identifizierten. Mithilfe des gesammelten Materials sowie von Design- und Warenkatalogen der 1970er Jahre rekonstruierten Korpys/Löffler die konspirative Wohnung in diversen Zeichnungen (und zunächst in Form eines Buchprojektes). In einem weiteren Schritt beauftragten sie ein Innenarchitekturbüro damit, das Modell einer aktuellen konspirativen Wohnung zu entwerfen. Dieses Modell bauten die Künstler schließlich in einem Studio nach und fotografierten den Prozess seiner Zerstörung.

Elke Marhöfer

lookin'out for Wachsamkeit, 2005

Ein-Kanal-Video, Farbe, Ton, 13 Min.

Minimal in den Mitteln zeigt das Video ein Zusammentreffen zweier Personen in der neuen Staatsbibliothek zu Berlin. Die beiden Protagonistinnen sprechen über den politischen “Ausnahmezustand", der nach Walter Benjamin die Gesetze nicht außer Kraft setzt, sondern sie verschärft. Benjamin besitzt aber auch eine positive Vision vom Ausnahmezustand, und die steht hier zur Debatte. Die beiden jungen Frauen überlegen, was ein wirklicher, gesetzloser Zustand auf unsere Körper übertragen bedeuten würde und ob damit die Möglichkeit eines Ausbruchs aus der Biopolitik geschaffen sei? Sie fragen sich wie diese technische Selbst-Verwaltung des Lebens aussehen würde, in welchem die Gewalt weder Recht setzend, noch Recht erhaltend wäre. Die bestehenden Gesetze förderen und hemmen bestimmte Arten von Grundlosigkeit und Zufälligkeit. Was bei einem herkömmlichen Ausnahmezustand zu Tage tritt ist nur die negative Grundlosigkeit der Gewalt. Der positive Ausnahmezustand müsste dieser Grundlosigkeit Rechnung tragen, und könnte so möglicherweise auch positive Ereignisse und wünschenswertere Handlungsmuster ermöglichen. (Elke Marhöfer)

Erase You (Acéphale mix), 2005–07
Ein-Kanal-Video, Farbe, Ton, 5 Min.
Ausblenden des Sozialen, der Gesellschaft. Ablehnung der Gesellschaft, Ablehnung des Denkens in Gesellschaften. Der Gemeinschaft den Kopf abschlagen, dem Individuum den Kopf abschlagen. Wenn man sich von der Welt zu emanzipieren will, muss man sich von sich selbst distanzieren. Distanzieren vorallem in Hinsicht auf das, wie man meint “ge(M)acht" zu sein scheint. Damit distanziert man sich von der Macht, die “in" einem ist. Aber das Problem ist: Inwieweit ist diese Macht (“die in einem ist") die negative Macht und inwieweit ist sie das Leben selbst - also das, was die Menschen so glückselig macht? Man könnte es als eine Arbeit an Konzepten für eine Praxis des Lebens beschreiben. Wenn ein Leben zu einem Kunstwerk wird bedeutet das aber nicht, die Konstruktion des eigenen Lebens als “Kunstwerk", sondern es bedeutet eine Art Enteignung von sich selbst. Das Subjekt ist nicht mehr länger anwesend, ist nicht mehr vorhanden, weder im Denken noch in den Dingen. Man kommt da vermutlich in eine Zone der Unentscheidbarkeit oder Indifferenz, wenn das “Ich" und seine Enteignung zusammenfallen. Zumindest vergessen wir unsere eigene Anwesenheit als Subjekt und verteidigen uns selbst als Projekt gegen den Autor. (Elke Marhöfer)

Christine Meisner, The Present, 2007
(Auswahl aus der dreiteiligen Arbeit)
- 9 Zeichnungen je 56 x 70 cm
- Luminous with another than a professional light, Video, 38 min.
Courtesy: Christine Meisner und Stiftung MUSEION. Museum für moderne und zeitgenössische Kunst, Bozen

The Present setzt sich in Zeichnungen, Videos und einer Erzählung mit den historischen Beziehungen zwischen Europa und der Demokratischen Republik Kongo auseinander, und damit, wie diese die Gegenwart prägen. Eine zentrale Frage kreist dabei um die unterschiedlichen Formen und Präsenzen der Erinnerung, um das Problem, dass sich in die historischen Narrative dieser Beziehung in erster Linie der europäische Blick eingeschrieben hat, wie etwa durch Joseph Conrads Erzählung Herz der Finsternis. Diese Erzählung sowie die Reisen des polnischen Schriftstellers aufgreifend, verknüpft The Present Schauplätze in Warschau, Brüssel, Kinshasa, Kisangani und Hew Bora. In dem Video Luminous with another than a professional light sind es insbesondere Räume der Wissensproduktion und -verwaltung – das Nationalarchiv in Kinshasa, eine Bibliothek in Warschau und das Königliche Museum für Zentralafrika in Tervuren bei Brüssel –, die im Hinblick auf subjektive Erfahrungen, das kollektive Gedächtnis und ideologische Implikationen ausgelotet werden.

Olivier Menanteau, Among the Researchers (1/4), 200408 (2010)
Das Feld Gegenüber / Am Andamanensee (Das Wissenschaftskolleg zu Berlin / Das CHARM Projekt, Thailand)
Drei Inkjet-Prints, je 120 x 300 cm

Olivier Menanteau untersucht in seinen Fotografien die hierarchischen Strukturen sozialer Räume. Er beobachtet sie entlang der räumlichen Organisation durch Architektur, Mobiliar, Design etc. sowie der Art und Weise des körperlichen Auftretens der darin interagierenden Personen. Among the Researchs (1/4) bezieht sich auf zwei eines insgesamt vier Teile umfassenden Projektes, das Räume der Wissenschaft, Kommunikation und Lehre fokussiert. Dabei stellt er Fotografien von Vorträgen, Konferenzen und dergleichen, die er 2004 im Wissenschaftskolleg zu Berlin aufnahm, Bildern des Projektes CHARM (Coastal Habitats and Ressources) in Thailand gegenüber, das er zwischen 2006 und 2008 begleitete: ein hehrer, exklusiver Tempel der Wissenschaften einerseits und ein die lokale Bevölkerung einbindendes, von der thailändischen Regierung und der Europäischen Union initiiertes Austauschprojekt zu ökonomischen, wirtschaftlichen und ökologischen Fragen andererseits.

Monika Oechsler, Strip, 1997/2000
Ein-Kanal-Video, Farbe, Ton, ca. 4:40 Min.

In Strip beobachtet eine fixe Kamera verschiedene Mädchen im Alter zwischen acht und vierzehn Jahren, die in einem Schulraum mit verbundenen Augen Pistolen zerlegen und wieder zusammensetzen. Ihre Gesichter sind dabei nicht zu sehen, sie sind gleichermaßen blind und kopflos. Die Aufnahmen entstanden in einem britischen Schützenverein, der als einziger die Erlaubnis erhielt, Kindern ab acht Jahren das Schießen zu lehren.

Danilo Prnjat, Perfect Lover, 2006
1-Kanal-Videoprojektion, 1:31 Min., Ton

In dieser Videoperformance flaniert der Künstler entlang diverser Schaufenster in Florenz. Es sind die Vitrinen von Modelabels, die die wirtschaftlich erfolgreichen Bevölkerungsschichten adressieren: Roberto Cavalli, Max Mara etc. Die Kamera zeigt den Künstler aus verschiedenen Perspektiven, wie er die Schaufenster, jene Schnittstellen zwischen Begehren und Ausgrenzung, ableckt.

p.t.t.red (Stefan Micheel und Hans Winkler), Wallstreet - Moneyfield New York, 1995
Serie von 41 Polaroids, 2 Texttafeln

Die Polaroid-Serie basiert auf einer Aktion, in der die Künstler 100 Vierteldollar-Münzen mit Sekundenkleber auf den Gehwegen der New Yorker Wall Street fixierten. Sie dokumentiert Banker, Broker und andere Passanten bei dem Versuch, die Münzen von der Straße zu kratzen. Einem Obdachlosen gelang es schließlich, sie mit Hammer und Meißel von der Straße zu schlagen.

Dubravka Sekuli?, Glotz nicht so Romantisch! (Russian Pavillions), seit 2004
Serie von Inkjet-Prints

Russian Pavilions ist ein Rechercheprojekt, das die informellen urbanen Entwicklungen in Karaburma, einem Arbeiterviertel Belgrads, untersucht. Nach dem Ende des Sozialismus, in einer Übergangsphase vom gemeinschaftlichen zum privaten Wohneigentum, von einem rechtsfreien Raum zur Reglementierung des Bau- und Immobilienwesens, etablierten sich in Belgrad Strategien der Wohnraumerweiterung, die insbesondere den Dachausbau betrafen. Sie wurden meist von den Einheimischen selbst ohne Plan, Architekten oder rechtliche Grundlagen umgesetzt. Ab 2001 eigneten sich Immobilienspekulanten, die nach lukrativen Investitionsmöglichkeiten suchten, diese Strategie an. Die sogenannten „Russian Pavilions“ von Karaburma boten dafür besonders ideale Bedingungen und wurden durch Dachaufsätze bis um das zweieinhalbfache vergrößert.

Helene Sommer, Das Gelände, 200405
Ein-Kanal Video, 7:50 Min.

Das Gelände fokussiert die Entstehung eines überdachten tropischen Freizeitparks, der in einem Zeppelinhangar errichtet wird – dem größten Hangar der Welt, der einem einstigen sowjetisches Militärgelände in der Nähe Berlins zu neuem Glanz verhelfen sollte, doch daran scheiterte. Durchbrochen sind die meist im Zeitraffer gehaltenen Aufnahmen der auf die Zukunft des Geländes weisenden Baustelle von Beobachtungen in dessen direktem Umfeld, in dem die Ruinen und andere Spuren seiner früheren militärischen Nutzung zu finden sind. Verschiedene historische wie filmische Zeitebenen werden dabei ineinander verschachtelt.

Jan-Peter E.R. Sonntag, 612.43WEISS, 20032005 (2010)
Ein-Kanal-Videoinstallation, Ton

Die Videoarbeit verknüpft eine Fotografie von 1943, die einen aufgelassenen Tross vor Stalingrad zeigt, mit einer zur gleichen Zeit entstandenen Einspielung des Leiermanns, dem letzten Lied aus Schuberts Zyklus Winterreise, durch den Bassbariton Hans Hotter. Sowohl das Bild- als auch das Tondokument sind digital manipuliert. So wird die Fotografie von einem digital erzeugten Schneesturm erfasst, durch den sich die Szenerie in einem langsamen, beständigen Prozess immer wieder auflöst, nur um erneut aufzutauchen. Die Stimme Hotters wurde aus der Klavierbegleitung herausgearbeitet. Von Letzterer wurden nur wenige Töne extrahiert und digital auseinandergezogen.

Krassimir Terziev, A Message from Space in my Backyard, 200809
2-Kanal-Videoinstallation (16:9), 16 Min., Loop, ohne Ton, Farbe, HD Video PAL

Krassimir Terziev fragt in dieser Videoarbeit nach den Gefahren, die dem Menschen aus dem Weltall drohen und die nicht etwa durch Aliens gegeben sind, sondern durch menschengemachten Weltraummüll: eine Gefahr, die sich kaum empirisch fassen lässt, sondern sich auf quasi „magische“ Weise durch Unfälle manifestiert, wenn etwa das Wrackteil eines Space Shuttles plötzlich in den eigenen Garten kracht. Die empirischen Informationen über die jähen Begegnungen des Humanoiden mit Weltraummüll werden dabei von Reflexionen über die mythischen Konnotationen des Himmels durchkreuzt.

Lan Tuazon

Architectures of Defense, 2010

Skulptur
Mit freundlicher Unterstützung durch die: Feldmann Metall- und Schmiedekunst GmBH, Langenzenn

Architectures of Defense ist eine aus industriell gefertigten Versatzstücken von Zäunen unterschiedlichen Materials, Designs und Funktionszusammenhangs geschaffene Installation beziehungsweise Skulptur, die in Form eines Wolkenkratzers gestaltet ist. Im Sinne einer Quintessenz der Wehrarchitekturen verbindet sie die ästhetischen Konventionen royaler, bürgerlicher, öffentlicher und privater Ein- und Ausschlusskulturen. Sie führt vor, „wie sich Geschichte, das Gesetz und Klassenstrukturen in das physische Umfeld einschreiben“ (Lan Tuazon).

Army Park: An Impossible Public Park Proposal, 2009
Tinte auf Papierr, 76cm x 112 cm
 
Army Park vereint diverse Reiterstandbilder, die in Manhattan zu finden sind:  Historische Figuren (George Washington, Jeanne d'Arc, Simón Bolívar) gruppieren sich in einem öffentlichen Park zu einer revolutionären Armee, die gen Rathaus zieht. (Lan Tuazon)

Nomeda und Gediminas Urbonas, Druzba, seit 2003
Multimedia-Installation

Das 2003 begonnene Projekt bezieht sich auf die in den 1960er und 1970er Jahren von den RWG Staaten errichtete Erdöl-Pipeline, die vom Ural bis Ostdeutschland reicht und den Namen Druzba, zu Deutsch Freundschaft, trägt. Sie versorgte den gesamten damaligen „Ostblock“, war ein Symbol der Verbundenheit unter den sozialistischen Staaten sowie ihrer Unabhängigkeit gegenüber den westlichen Märkten. Nach der Auflösung der sozialistischen Staaten und der Sowjetunion wurde die Pipeline privatisiert. In ihrer multimedialen Installation verknüpfen Nomeda und Gediminas Urbonas verschiedene Erzählstränge über die Druzba-Pipeline und deren politischen Verschränkungen.

Artur ?mijewski, Eye for an Eye, 1998
Serie mit 6 (von 20) Fotografien (IIa, IIb, IIc; Va, Vb; Vc), Farbe, je 100 x 100 cm, Courtesy: Galerie Peter Kilchmann, Zürich und Galerie Foksal, Warschau

Die Serie zeigt Studioaufnahmen von Paaren nackter Menschen, von denen jeweils einem mindestens ein Gliedmaß fehlt. Gemeinsam bilden sie in ihren Posen eine vermeintlich intakte Gestalt, indem die fehlenden Arme oder Beine des Versehrten durch die des Unversehrten optisch ergänzt werden.

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