Campus Stadt, 8.– 29. Juli 2011, WKV Stuttgart

Zwischen Subversion und Komplizenschaft. Kunst im Kontext urbaner Konfliktfelder und Öffentlichkeiten

Freitag, 29. Juli 2011, 19 Uhr
PODIUM
in englischer Sprache
mit Ute Vorkoeper, Harry Sachs, Jaroslav Andel, Janos Sugar und Iris Dressler (Moderation)
Zurück zur Programmübersicht / Campus Stadt

Einführung
Seit spätestens den 1960er Jahren eignen KünstlerInnen sich den städtischen Raum als Handlungsraum an bzw. haben verschiedene Methoden der Einbindung heterogener Öffentlichkeiten erprobt. Die kritischen und widerständigen Potenziale der Kunst – im Hinblick auf urbane Konfliktfelder, gesellschaftliche Ein- und Ausschlüsse oder das Verhältnis zwischen Kunst und Öffentlichkeit – lassen sich dabei ebenso aufzeigen wie anzweifeln. So ist vielfach darauf hingewiesen worden, dass „Kunst im öffentlichen Raum“ sich leicht zum Komplizen von Gentrifizierungsmaßnahmen und Stadtmarketingkampagnen machen lässt, dass sie urbane gesellschaftliche Konflikte im schlimmsten Fall ästhetisch bzw. sozialromantisch verklärt. Eine selbstkritische Betrachtung künstlerischer, kuratorischer und institutioneller Praktiken der (Wieder-)Aneignung urbaner Umfelder ist zweifellos notwendig. Anstelle eines Rückzugs aus der urbanen Einmischung scheint es jedoch angebracht, die widerständigen Potenziale der Kunst und der diesen Potenzialen innewohnenden Grenzen, Dilemmata und Konflikte immer wieder neu zu verhandeln: als Teil einer künstlerischen Praxis, die die eigenen Widersprüche und Lücken nicht verleugnet, sondern angreifbar macht.

An diesen Fragestellungen und Überlegungen setzt das Podium Zwischen Subversion und Komplizenschaft an. Zu den drei PodiumsteilnehmerInnen, die ihre Positionen in kurzen Statements vor und zur Diskussion stellen, zählen die Kuratorin Ute Vorkoeper (Hamburg), Leiterin des Projektes Akademie einer anderen Stadt (2009–2011, www.mitwisser.net), das im Rahmen der IBA (Internationale Bauausstellung) Hamburg stattfindet; der Künstler Harry Sachs, Kodirektor von KUNSTrePUBLIK e.V. (Berlin) und Mitinitiator des Projektes Skulpturenpark Berlin_Zentrum (www.skulpturenpark.org); der ungarische Künstler Janos Sugar, der auf Grund einer künstlerischen Aktion im öffentlichen Raum zu fünf Monaten Haft (auf Bewährung) verurteilt wurde; sowie Jaroslav Anděl, künstlerischer Leiter des Kunstzentrums DOX in Prag (www.dox.cz).
 
Abstracts und Kuzbios

Ute Vorkoeper: Dissensen über die Beziehung von Kunst und Stadt
Kunst hat es schwer oder sie tut sich schwer im Kontext der Stadt und der Stadtentwicklung. Wer ernsthaft Kunstprozesse (und nicht als Kunst behauptete Sozialarbeit) in Stadträumen durchsetzen möchte, denen die Politik eine „multiple Problemlage“ attestiert und die sie deshalb mit einer Internationalen Bauausstellung beschenkt, der landet unweigerlich mitten im politischen Streitraum und gerät zudem in ein Minenfeld aus Befindlichkeiten und Ressentiments. Am Beispiel der Akademie einer anderen Stadt, der Kunstplattform der IBA Hamburg seit 2009, sollen die komplizierten und widersprüchlichen Konfliktlinien nachgezeichnet werden. Zugleich sollen aber auch die Frei- wie Spielräume von Kunst und durch Kunst in einem besonderen Stadtraum, den Hamburger Elbinseln, aufgezeigt werden, die über die letzten Jahre dank IBA-Geld, d.h. Stadtentwicklungsgeld, realisiert werden konnten.

Ute Vorkoeper, lebt und arbeitet in Hamburg als Kuratorin und Autorin; Künstlerische Leitung der Akademie einer anderen Stadt, Kunstplattform der Internationalen Bauausstellung Hamburg (mit Andrea Knobloch) (2009-2011); Gastprofessur an der Kunsthochschule Berlin Weißensee (4/2007-3/2009), Künstlerische Leitung des Hochschulmodellversuchs transmedien an der HfbK Hamburg (2001-2004); Promotion 1997; Ausstellungen und Projekte u. a.: Aussicht auf Veränderungen. Kunst-Parcours quer durch Hamburg, Hamburg (2010); Zeichen von Respekt, Ausstellung, Veringhöfe Hamburg-Wilhelmsburg (2009); Die Sache mit der Verantwortung. Marion Ermer Preis 2008, Neues Museum Weimar (2008); Anna Oppermann. Ensembles 1968-1992; Württembergischer Kunstverein Stuttgart und Generali Foundation Wien (2007).
 
Harry Sachs: Skulpturenpark Berlin_Zentrum
Harry Sachs, Kodirektor von KUNSTrePUBLIK e.V. (Berlin), stellt das von fünf KünstlerInnen initiierte Projekt Skulpturenpark Berlin_Zentrum (www.skulpturenpark.org) vor, das seit  2006 im Sinne eines offenen Prozesses auf einer unweit des Axel-Springer-Gebäudes in Berlin gelegenen Brachfläche stattfindet. Der Begriff Skulptur wurde dabei „als Prozess verstanden, der soziale, historische, gesellschaftliche Zusammenhänge sichtbar werden lässt bzw. neu verhandelt“ (KUNSTrePUBLIK e.V.). Im Rahmen des Projektes wurden in Zusammenarbeit mit verschiedenen KuratorInnen zahlreiche KünstlerInnen eingeladen, Arbeiten für diese Brachfläche zu entwickeln.

Jaroslav Andel: DOX, Zentrum für zeitgenössische Kunst, Prag

Jaroslav Andel ist künstlerischer Leiter des Kunstzentrums DOX (www.dox.cz), das 2008 auf einem ehemaligen Fabrikgelände in Prag eröffnet wurde. Andel beschäftigen die Grenzen und Möglichkeiten der kulturellen Umnutzung solcher Areale. Überdies möchte er DOX als Plattform für diverse Initiativen etablieren, die sich kritisch mit den urbanen Entwicklungen in Prag auseinandersetzen.

János Sugár: Wash your dirty money with my art

Der ungarische Künstler János Sugár (u.a. Documenta 9 und Manifesta 1) wurde auf Grund einer künstlerischen Aktion im öffentlichen Raum in Budapest – dem Anbringen eines Graffiti, das aus dem Satz „Wash Your Dirty Money With my Art“ (Wasch Dein dreckiges Geld mit meiner Kunst) bestand – zu fünf Monaten Haft auf zwei Jahre Bewährung verurteilt. Das Gericht weigerte sich, die Aktion als Kunst anzuerkennen und verurteilte sie stattdessen als Vandalismus. Am 1. Januar diesen Jahres ist in Ungarn ein neues Gesetz gegen Graffiti in Kraft getreten: Unabhängig vom verursachten Schaden können diejenigen, die bei der Anbringung von Graffiti/Street Art gefasst werden, mit einer Gefängnisstrafe von bis zu einem Jahr belangt werden… Kunstsachverständige, die in Sugárs Fall vor Gericht den zentralen künstlerischen Aspekt seiner Aktion belegen sollten, waren von diesem gar nicht erst zugelassen worden. (hier Mehr zu dem Fall)

Der Konzeptkünstler János Sugár studierte im Fachbereich Skulptur an der ungarischen Akademie der bildenden Künste in Budapest (1979-84). Zwischen 1980 und 1986 arbeitete er mit „Indigo“ zusammen, einer interdisziplinären Künstlergruppe, angeführt Miklos Erdely. Sein Werk umfasst Skulpturen, Installationen, Performances, Videos, Filme wie auch theoretische Schriften und Veröffentlichungen. Er war Mitglied des Vorstands von Balazs Bela Film Studio (1990-95) und unterrichtet seit 1990 Kunst- und Medientheorie im Fachbereich Intemedia an der ungarischen Akademie der bildenden Künste in Budapest. Er hat in ganz Europa ausgestellt, unter anderem auf der Documenta IX,Kassel (1992). Sugárs Filme wurden 1998 von den Anthology Film Archives in New York gezeigt.

deueng
suchenImpressum
instagramfacebooktwitteryoutube
Schlossplatz 2
D-70173 Stuttgart
Fon: +49 (0)711 - 22 33 70
Fax: +49 (0)711-22 33 791
zentrale@wkv-stuttgart.de
Württembergischer Kunstverein Stuttgart