Bani Abidi, Reserved, 2006, Filmstill
Pilar Albarracin, La muerte de Zaldiko (Zaldikos Tod), 2012, Filmstill, Courtesy: Galerie Vallois, Paris
Pilar Albarracin, La muerte de Zaldiko (Zaldikos Tod), 2012, Filmstill, Courtesy: Galerie Vallois, Paris
Robert Barry, It Can Change …, 1970/71, Courtesy: Generali Foundation, Wien
Rolf Dieter Brinkmann, Schnitte (Cover)
Mircae Cantor, Vertical attempt, 2009, Courtesy: Galerie Yvon Lambert, Paris
Mircae Cantor, Io, 2009, Courtesy: Galerie Yvon Lambert, Paris
Herbordt / Mohren, Die Institution, 2013
Runa Islam, Dead Time, 2000, Filmstill
Sigmund Freud, Studie zum Moses des Michelangelo
Anna K. E., Cultural Catalyst that drives the popular dialogue globally, 2012, Filmstil, Courtesy: Galerie Barbara Thumm
Mobile Academy (Hannah Hurtzig / Chris Kondek), Joseph Vogl. Über das Zaudern, 2008, Courtesy: Mobile Academy
Anna Oppermann, Ersatzprobleme am Beispiel Bohnen, 1968–1977, Courtesy: Galerie Barbara Thumm
Lia Perjovschi, Mind-Map
Stefanie Seibold
Jan-Peter E. R. Sonntag, sundogs // Nebensonnen, 2011, Filmstill
Jan-Peter E. R. Sonntag, sundogs // Nebensonnen, 2011, Filmstill
Jan-Peter E. R. Sonntag, sundogs // Nebensonnen, 2011, Filmstill
Jan-Peter E. R. Sonntag, sundogs // Nebensonnen, 2011, Filmstill
Jean-Marie Straub / Danièle Huillet, En Rachâchant, 1982, Filmstill, Courtesy: L'Agence du court métrage, Paris

Vom Zaudern.

Motive des Aufschubs, Übergangs und Abschweifens

WERKE IN DER AUSSTELLUNG (Auswahl)
(Courtesy, wenn nicht anders erwähnt: Die KünstklerInnen)

Bani Abidi (geb. 1971 in Karachi, lebt in Berlin)
Reserved, 2006

Zwei-Kanal-Video, 9 Min.
www.baniabidi.com
---
Eine Stadt ist scheinbar zum Erliegen gekommen. Straßensperren wurden errichtet, um den Weg für die reibungslose Fahrt von vier Luxuskarosserien frei zu machen. Schulkinder warten mit zerknüllten Papierflaggen in der Hand geduldig darauf, dem vorbeiziehenden Tross zuzuwinken, während die Verwaltungsbeamten des Empfangskomitees nervös den roten Teppich auf- und abschreiten. Alles deutet darauf hin, dass in Kürze ein hoher Politiker eintreffen wird. Das große Ereignis wird uns in Bani Abidis Videoarbeit allerdings vorenthalten. Stattdessen lenkt sie den Blick auf das Warten, Innehalten und die Anspannung, auf den Leerlauf der Maschinerien politischer Protokolle und Inszenierungen.

Pilar Albarracín (geb. 1968 in Sevilla, lebt in Sevilla)
La muerte de Zaldiko (Zaldikos Tod), 2012

Videoinstallation (Schwarzweiß) mit ausgestopftem Pferdekopf
Courtesy: Die Künstlerin und Galerie Vallois, Paris
www.pilaralbarracin.com
---
Die Installation La muerte de Zaldiko (Zaldikos Tod) basiert auf einer Performance, die Pilar Albarraciín mit einem ausgestopften Pferdekopf in einer Reithalle inmitten von einer Gruppe lebender Pferde durchführte. Von einem Pferdedompteur werden sie dazu getrieben, in einem Kreis um die Künstlerin herum zu laufen. Etwas scheint ihnen dabei zu widerstreben, als hätten sie eine gewisse Scheu vor ihrem toten Artgenossen.

Artic. Texte aus der fröhlichen Wissenschaft, zaudern, Nr. 7, 2000
80 Seiten, Einband aus Schaumstoff, Layout: Anita Kolb
www.artic-magazin.de
Courtesy: Archiv Iris Dressler / Hans D. Christ
Mit Beiträgen von unter anderem: Agentur Bilwet, Dan Perjovschi, Leander Scholz, Jens E. Sennewald, Bernhard Balkenhol, Roberto Di Bella
---
Das 1993 erstmals erschienene Magazin Artic umfasst literarische, theoretische und künstlerische Beiträge, die für jede Ausgabe zu einem bestimmten Begriff entstehen. Auch die für jede Ausgabe individuell entwickelte Gestaltung greift diesen Begriff auf. Artic Nr. 7 von 2000 kreiste um den Begriff des Zauderns. Die aufwändige, zu einem hohen Anteil in Handarbeit gefertigte Herstellung von Artic macht nicht nur aus jedem einzelnen Heft ein Unikat, sondern widersetzt sich auch dem ökonomischen Diktat zeitlicher Effizienz. Damit ist Artic in gewisser Weise selbst ein Akt des Zauderns, der Unterbrechung scheinbar effizienter Produktionsabläufe …

Robert Barry (geb. 1936 in New York, lebt in New Jersey)
It Can Change …, 1970/71

Installation, Diaprojektion mit 20 Schwarzweiß-Dias.
Courtesy: Sammlung Generali Foundation, Wien
---
Die Diaarbeit It Can Change gehört zu den von Robert Barry zwischen 1970 und 1971 produzierten Word Lists – Arbeiten, die aus Reihen von Wörtern oder Sätzen bestehen, deren Bedeutung sich mit jedem neuen Wort erweitert, verschiebt und eine andere Richtung nimmt. Dabei bleibt das Beschriebene stets vage.

(Text:)
IT CAN CHANGE  / IT HAS VARIETY / IT DOESN’T HAVE A SPECIFIC TIME / IT IS NOT IN ANY SPECIFIC PLACE / SOME OF IT IS FAMILIAR / SOME OF IT IS STRANGE / SOME OF IT IS UNKNOWN / SOME OF IT CAN NEVER BE KNOWN  / SOME OF IT COULD BE KNOWN; BUT NEVER WILL BE / THERE IS ALWAYS MORE OF IT BEING REVEALED / DESCRIPTIONS OF IT ARE INCOMPLETE / SOME OF IT CANNOT BE DESCRIBED / SOME OF IT IS COMMON KNOWLEDGE / ITS ORIGIN IS INDETERMINATE / IT CAN COMPLETELY CHANGE IN AN INSTANT / IT IS OPEN TO NEW POSSIBILITIES / IT CAN CEASE TO EXIST AT ANY TIME / SOME OF IT NO LONGER EXISTS / SOME OF IT EXISTED BEFORE ANYONE KNEW OF IT / ANY PART MAY CEASE TO EXIST AT ANY TIME AND NEVER RETURN

(Es kann sich ändern / Es ist abwechslungsreich / Es hat keine bestimmte Zeit / Es ist an keinem bestimmten Ort / Manches davon ist vertraut / Manches davon ist fremd / Manches davon ist unbekannt / Manches davon kann nie bekannt werden / Manches davon könnte bekannt werden; wird es aber nie / Es wird immer mehr davon aufgedeckt / Beschreibungen davon sind unvollständig / Manches davon kann nicht beschrieben werden / Manches davon ist Allgemeinwissen / Seine Herkunft ist unbekannt / Es kann sich in einem Augenblick völlig ändern / Es ist offen für neue Möglichkeiten / Es kann zu jeder Zeit aufhören zu existieren / Manches davon besteht nicht mehr / Manches davon bestand noch bevor jemand davon wusste / Jedes Teil könnte zu jeder Zeit aufhören zu existieren und niemals zurückkehren)

Rolf Dieter Brinkmann (geb. 1940 in Vechta, gest. 1975 in London)
Der Film in Worten, 1982; Erkundungen für die Präzisierung des Gefühls für einen Aufstand: Reise. Zeit. Magazin, 1987; Schnitte, 1988
Courtesy: Archiv Iris Dressler / Hans D. Christ
---
Rolf Dieter Brinkmanns posthum erschienene Collagebände bestehen aus komplexen Text-Bild-Montagen, die mit Wiederholungen und Verschiebungen, Brüchen und Wiederaufnahmen von persönlichen Gedanken und Eindrücken einerseits und Sprach- sowie Bildfetzen aus der Popkultur und den Massenmedien andererseits operieren. Begriffe und Wendungen wie „imaginäre Barrikaden“, „wo kommst du gewesen“, „paralysiert“, „flashback“, „Schnitt“, „Fortsetzung“ oder „kodakfarbenes Lächeln“  tauchen immer wieder auf. In sprachlichen Verschlingungen verkehrt und verschiebt er Bedeutung und sinnliche Ordnungen:

„./: Ich war ganz zerrissen, zwischen Hören, denn ich hörte twas [sic.] anderes als ich sah, und ich roch etwas anderes als ich spürte, und ich dachte etwas anderes als ich fühlte, und ich fühlte etwas anderes als ich sah, und ich sah etwas anderes als ich roch, und ich roch etwas anderes als ich dachte, und ich dachte etwas anderes als ich hörte/“  (in: Schnitte, S.8)

Mircae Cantor (geb. 1977 in Rumänien)

Vertical Attempt, 2009
Video, 1'
Courtesy: Galerie Yvon Lambert, Paris
---
Ein kleiner Junge sitzt auf einer Spüle vor dem laufenden Wasserhahn. Mit einem Messer zerschneidet er den Wasserstrahl. Sein Schnitt fällt zusammen mit dem Filmschnitt, der das nur eine Sekunde lange Video beendet. Dieser Schnitt markiert dabei gleichermaßen die Lücke und das Bindeglied – die Suture – des Filmloops.

Io, 2009
Diptychon, Fotografie, Schwarzweiß, je 20 x 30 cm
Courtesy: Galerie Yvon Lambert, Paris
---
Das Diptychon zeigt die fast identischen Fotografien eines kleinen Jungen, der aus dem Fenster eines Zuges auf einen Tunnel blickt. Auf den ersten Blick glaubt man, dass es sich um ein und dasselbe Bild handelt – einmal als Positiv- und einmal als Negativabzug. Tatsächlich aber zeigt das eine Bild die Situation kurz bevor der Zug in den Tunnel einfährt und das andere den Moment, bevor er wieder aus dem Tunnel hinausfährt. Die Ein- und Ausfahrt werden in ihrem Nebeneinander zu einer Art imaginärem Loop kurzgeschlossen.

Carlfriedrich Claus (geb. 1930 in Annaberg, gest. 1998 in Chemnitz)
Aggregat K, 1988 / 1993
Nachdruck (in 70 %iger Verkleinerung) der Edition von 1988 bestehend aus 18 Blättern, 8 Umschlägen und 2 Leporellos, Verlag: Gerhard Wolf Janus press GmbH, Berlin
Courtesy: Archiv des Württembergischen Kunstvereins
---
Carlfriedrich Claus lotet in seinen grafischen und Audioarbeiten die Grenzen zwischen Sprache, Zeichnung, Text und Klang aus. Es sind Denklandschaften aus ineinander verschlungenen Texturen, die von kryptischen Zeichen bis hin zu Satzfolgen reichen, die allerdings kaum entzifferbar sind. Die Mappe Aggregat K, die beidseitig bedruckte Blätter aus Papier und transparenter Folie sowie einseitig bedruckte Leporellos umfasst, eröffnet ein komplexes Spiel möglicher Gebilde aus Faltungen, Überlagerungen und Lagenbildungen. Claus untersucht hier Möglichkeiten non-verbaler Kommunikation. Dabei kreist er zugleich um den Widerstreit zwischen Leere und Form, Chaos und Gestalt, Stillstand und Bewegung, Kodierung und Dekodierung.

Sigmund Freud (geb. 1856 in Freiberg in Mähren, damals Kaisertum Österreich, heute tschechisch Pribor, gest. 1939 in London)
Der Moses des Michelangelo, 1914
Erschienen in: Imago. Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften III, 1914, S. 15–36.
Courtesy: Universitätsbibliothek der Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Vollständiger Text, siehe: www.gutenberg.org/files/30762/30762-h/30762-h.htm
---
Mit Hilfe einer nach seinen Anweisungen angefertigten grafischen Animation des Moses von Michelangelo, unternimmt Sigmund Freud eine eigenwillige Lektüre dieses Werkes. Es zeige Moses am Endpunkt eines „Bewegungssturmes“ (Freud), der mit der Hinwendung zum Spektakel um das goldene Kalb und seinem Erzürnen darüber beginnt und in der Zurücknahme und Überwindung des Gefühlsausbruchs endet, um die Gesetzestafel, die unter seinem Arm klemmt, vor dem Fall zu bewahren. Michelangelo habe die Heilige Schrift somit nach eigenem Gutdünken ausgelegt: Statt eines zornigen Moses, der die Gesetzestafeln im Affekt zerschmettert, zeige er einen heroischen Propheten, der zunächst zwar Hin- und Hergerissen zwischen Gesetzt und Leidenschaft ist, letztendlich aber seinen Jähzorn zügelt und so das Gesetzt erhält. „Er wird auch die Tafeln nicht wegwerfen, dass sie am Stein zerschellen, denn gerade ihretwegen hat er seinen Zorn bezwungen, zu ihrer Rettung seine Leidenschaft beherrscht“ (Freud). In seiner Schrift Über das Zaudern setzt Joseph Vogl an dieser Interpretation Freuds an. Nicht Michelangelo, sondern der Psychoanalytiker selbst habe, so Vogl, die biblische Erzählung radikal gegen den Kanon interpretiert. Entscheidend dafür war, dass Freud bei der Deutung der Hörner des Propheten „gründlich danebenlag“ (Vogl 2008, S. 19), indem er übersah, dass diese selbst auf einem Übersetzungsfehler basieren. Dieser Fehler hatte aus dem eigentlichen facies coronata, das heißt aus dem strahlenden Antlitz des Moses, ein facies cornuta, ein gehörntes Antlitz, gemacht. Das strahlende/gehörnte Antlitz verankert Michelangelos Moses somit in die Erzählung des zweiten – und nicht wie bei Freud, des ersten – Abstiegs vom Berg Sinai. Zu der Zeit lagen der Tanz um das goldene Kalb und sein Zornesausbruch bereits hinter ihm. Es ist also Freud selbst, der hier einen „strikt nicht-biblischen“ Moses generiert. „Man hat es … mit einem eigentümlich reformierten Mose zu tun, der DAS Gesetz suspendiert, in die Schwebe versetzt und das Offenbarungsgeschehen selbst unterbricht. Freuds an- und aufgehaltener Mose führt eine exemplarische Blockade in den Bibeltext ein“ (Vogl 2008, S. 20).

Jacob Grimm, Wilhelm Grimm
 (J.G.: geb. 1785 in Hanau, gest. 1863 in Berlin; W.G.: geb.1786 in Hanau; gest.1859 in Berlin)
Das Birnli will nit fallen
in: Kinder- und Hausmärchen, gesammelt durch die Brüder Grimm, vergrößerter Nachdruck der zweibändigen Erstausgabe von 1812, Göttingen 1986, S. 338–340
Courtesy: Württembergische Landesbibliothek, Stuttgart
Vollständiger Text, siehe:
www.hekaya.de/txt.hx/das-birnli-will-nit-fallen--maerchen--grimm_m_30
---
Der Herr will das Birnli schüttle,
das Birnli will nit fallen:
der Herr, der schickt das Jockli hinaus,
es soll das Birnli schüttle:
das Jockli schüttelt's Birnli nit,
das Birnli will nit fallen.
 
Da schickt der Herr das Hündli naus,
es soll das Jockli beißen:
das Hündli beißt das Jockli nit,
das Jockli schüttelt's Birnli nit,
das Birnli will nit fallen.
(...)


Herbordt / Mohren
(Bernhard Herbordt geb. 1978 in Würzburg;  Melanie Mohren geb. 1979 in Bonn; leben in Stuttgart)
 
Alles was ich habe #4: Reden, 2011
Publikation
---
Alles was ich habe ist ein langfristiges Recherche- und Archivprojekt in Formaten zwischen Ausstellung und Performance. Gesammelt, medial transformiert und jeweils neu arrangiert werden Fragmente eines möglichen Zusammenlebens und Praktiken für eine andere Zukunft. Nach Interviewserien mit WissenschaftlerInnen, Journalist-Innen, AktivistInnen und Künstler-Innen entwirft Alles was ich habe #4: Reden eine Karte von etwas, das erst noch kommt, erprobt, wie Sprache handelnd Wirklichkeiten schafft und sich Einzelne redend darin verorten.

Die Institution, 2013
Video, 8’31’’; Visitenkarte; Durational Performance, Römerstraße 2, Stuttgart, 4.–14. Juli 2013; Intervention, Württembergischer Kunstverein, 4.–14. Juli 2013
www.die-institution.org
Grafische Gestaltung Publikation und Visitenkarte: Demian Bern
---
Die Institution inszeniert als ‚Durational Performance’ für 10 Tage eine Institution. Sie ist Zuhause, öffentliches Labor und Theater. Das Versprechen eines anderen gesellschaftlichen Zusammenhangs, das Modell einer Institution, die integriert, was ausgeschlossen war und doch vorübergehend bleiben muss, um nicht selbst wieder autoritär zu werden, steht im Zentrum der inszenierten Institution.

Runa Islam (geb. 1970 in Dhaka, lebt in London)
Dead Time, 2000
16 mm, 5 Min.
Courtesy: Die Künstlerin und White Cube, London
---
Dead Time zeigt das aus leichter Untersicht gefilmte Gesicht einer Frau, deren Blick ins Leere schweift. Dieser Szene folgt ein Schwenk über ein diffuses Stadtpanorama, dann befindet sich die Kamera in einem Interieur und ist zunächst auf die geschlossene Jalousie eines Fensters gerichtet. Von hier aus tastet sie sich mit nur schwacher Vordergrund- und Tiefenschärfe durch den Raum und landet schließlich auf dem Kopf einer Frau, der auf einem Tisch auflehnt. Ihr Gesicht spiegelt sich in der blank polierten Tischplatte, auf der sie wenig später einen goldenen Ring wie einen Kreisel in Bewegung setzt, dessen zeitlich stark gedehnte Drehungen die Kamera in der Schlusssequenz fokussiert. Parallel mit der Projektion startet eine allmählich anschwellende Melodie, in die sich die Drehgeräusche des kreiselnden Rings nahtlos einfügen. Der Titel der Arbeit bezieht sich auf eine von Michelangelo Antonioni entwickelte filmische Erzähltechnik. Diese macht sich „tote Zeit“ zunutze, das heißt Momente der Ereignislosigkeit, um zum Beispiel in der Suspension Übergänge zwischen der realen Welt und Vorstellungsbildern oder Traumsequenzen stattfinden zu lassen. Islam entleert diese Methode von jeglicher fixierbaren Narration und baut sie zu einer selbstreferenziellen, um sich selbst kreiselnden, spiralförmigen Bewegung auf.

Anna K. E. (geb. 1986 Tiflis, lebt in New York)
Cultural Catalyst that drives the popular dialogue globally, 2012

Video
Courtesy: Die Künstlerin und Galerie Barbara Thumm, Berlin
vimeo.com/55451930
---
Die Kamera folgt den Spitzenschuhen der Künstlerin, die sich zu klassischer Musik mäandernd und ohne klare Richtung durch ihr Atelier bewegt. Das Video wird im Kunstverein in einem normalerweise während Ausstellungen verborgenen Zwischenraum gezeigt: in der nur halb herausgefahrenen Hebebühne des Ausstellungsraumes.

Gerald Van Der Kaap (geb. 1959, lebt in Amsterdam)
Hong Kong:
Reporter, 1998
Video
---
Der Loop aus einem kurzen Videofragment zeigt das Gesicht einer Reporterin, die sich mit ihren Händen unentwegt durch das Gesicht fährt, um es für ihre kurz bevorstehende Moderation aufzulockern.

Mobile Academy
(Hannah Hurtzig / Karin Harrasser / Chris Kondek)
Joseph Vogl. Über das Zaudern, 2008

Filminstallation, ca. 60 Min.
Produziert als Nachtlektion Nr. 1 im Rahmen der Manifesta 7, Trento
Courtesy: Mobile Academy
---
Der deutsche Philosoph und Literaturwissenschaftler Joseph Vogl spricht in diesem Video über das Zaudern als einem Schatten des Handelns, der mehr ist als Stillstand der Bewegung: Das Innehalten und Zögern macht Zeit- und Geschichtserfahrung erst möglich und es stimuliert damit wesentlich den Möglichkeitssinn. „Das Zaudern scheint wie ein verschollenes Thema oder ein Anathema eine seltsam verwischte Spur zu ziehen, die überall dort scharf und prägnant wird, wo sich – in einer langen abendländischen Geschichte – eine Kultur der Tat und eine Kultur des Werks brechen und reflektieren. Das Zaudern begleitet den Imperativ des Handelns und der Bewerkstelligung wie ein Schatten, wie ein ruinöser Gegenspieler; und man könnte hier von einer Zauder-Funktion sprechen“ … (http://www.mobileacademy-berlin.com/deutsch/2008/nachtless01.html)

Christian Morgenstern (geb. 1871 in München, gest. 1914 in Meran)
Gespräch einer Hausschnecke mit sich selbst

---
Soll i aus meim Hause raus? / Soll i aus meim Hause nit raus? / Einen Schritt raus? / Lieber nit raus? / Hausenitraus / Hauseraus / Hauseritraus / Hausenaus / Rauserauserauserause … /
(Die Schnecke verfängt sich in ihren eigenen Gedanken oder vielmehr diese gehen mit ihr dermaßen durch, daß sie die weitere Entscheidung der Frage verschieben muß.)

Anna Oppermann
(geb. 1940 in Eutin; gest. 1993 in Celle)
Ersatzproblem am Beispiel Bohnen, 1968–1977
Ensemble, Interpretative Installation
Bezugspflanze: Bohne
Thema, Stichworte: Hysterie, Naturempfinden des Mittelstandbürgers, Reflexion des Zeichnens, Deutung von Zeichen und Vieldeutigkeit von Zeichen, Ersatzprobleme
Courtesy: Nachlass Oppermann und Galerie Barbara Thumm, Berlin
---
Anna Oppermann verstand die Welt, die menschlichen Beziehungen als „Ensembles“: als Arrangements aus Wahrnehmungen und Reflexionen von Ereignissen, Normen, Geschichten, Emotionen und Theorien. Sie beobachtete ihren privaten wie den gesellschaftlichen Alltag genau, suchte Objekte, Bilder oder Begriffe, in denen sie dessen Absurditäten und Konfliktfelder versinnbildlicht sah. Diese zeichnete, fotografierte, malte, beschrieb sie, sammelte Texte und Zitate und ordnete schließlich alle Teile als Stillleben an. Im nächsten Schritt hielt die Künstlerin die Arrangements aus wechselnden Perspektiven und in variierenden Konstellationen fest und fügte diese neuen Ansichten den Arrangements hinzu. So wuchsen ihre Ensembles sukzessive in den Raum hinein.

Dan Perjovschi (geb. 1961 in Sibiu, lebt in Bukarest)
---
Dan Perjovschis beißend ironischen, mit wenigen Strichen hingeworfenen Zeichnungen, die sowohl den ganz allgemeinen Alltagswahnsinn als auch tagespolitische Ereignisse kommentieren, sind weltbekannt. 2000 wurde er von Iris Dressler und Hans D. Christ zu einem Beitrag für die Ausgabe „Zaudern“ des Magazins Artic eingeladen. Die Ausstellung zeigt die in diesem Rahmen entstandenen Inserts sowie einen Reihe aktueller Zeichnungen des Ku?nstlers, die nach seiner Anweisung von den KuratorInnen umgesetzt wurden.

Lia Perjovschi 
(geb. 1961, lebt in Bukarest)
Mind-Maps, 1999 – heute
---
Lia Perjovschis Installationen basieren auf ihrem seit den 1990er-Jahren zusammengetragenen „internationalen Archiv der zeitgenössischen Kunst“, das neben Katalogen und Dokumentationen auch Merchandize-Artikel aus den weltweiten Museumsshops, populärwissenschaftliche Publikationen und vieles mehr umfasst. Sie zeigt dieses Archiv in immer anderen Konstellationen, begleitet von ihren komplexen Mind-Maps. In der Ausstellung Zaudern zeigt sie eine Auswahl dieser Mind-Maps.

Andreas Schulze (geb. 1965 in Leipzig, lebt in Leipzig)
U.S. Trilogy (Vegas, A Los Angeles Story, Outside New York City), 2006–2011
3teilige Fotoserie
---
Die U.S. Trilogy umfasst drei Fotoserien – Vegas, A Los Angeles Story und Outside New York City –, die in Stuttgart erstmals gemeinsam gezeigt werden. Sie bestehen aus jeweils offenen Arrangements nüchterner Schwarzweiß-Fotografien, die Personen, Gegenstände, karge Innen- oder Außenräume zeigen. Die Räume, Fassaden und Objekte erscheinen meist in Nahsicht, als Fragment, reine Oberfläche oder Muster. Die Kühle und Leere dieser Bilder wird nur durch einige wenige, emotional stark aufgeladene Gesichter durchbrochen, die dennoch kaum Persönlichkeiten darstellen, sondern vielmehr Bildklischees entsprechen.
Die Beziehungen zwischen den Akteuren, Räumen und Objekten bleiben vage, verharren im Latenten, bloß Möglichen. Immerzu wird der Blick auf etwas gelenkt, das bedeutsam erscheint, und das seine Bedeutung zugleich verbirgt. Jede Handlung, jedes Ereignis, jede Merkwürdigkeit, die sich hier andeutet, wird sogleich wieder zurückgenommen, erscheint nur mehr wie der Rückstand, wie der Rest eines Geschehens.

Stefanie Seibold
(geb. 1967 in Stuttgart, lebt in Wien)
Sapphic Modernism I (An Archive of Feelings), 2013
Objekte (2 Paravents), 2 Collagen, Neuproduktion, Koproduziert durch den Württembergischen Kunstverein, Unterstützt von Schreinerei Seibold, Stuttgart
---
Drei Projektionsflächen für imaginäre Bilder. Objekte die sich gleichzeitig anbieten und wieder entziehen, die auf einen Raum ‘dazwischen‘ hindeuten, ohne klares Vorne und Hinten. Und wenn, ist dahinter immer spannender als davor. Der Paravent oder auch die ‚Spanische Wand’ steht in seiner/ihrer modernen Auffassung in der Tradition der angewandten Kunst und des Interior Designs zu Beginn des 20. Jahrhunderts, vor allem der Tropen des modernistischen weiblichen Kunstschaffens. Paravents befinden sich sowohl im westlichen wie in seinem ursprünglich fernöstlichen Ursprung auch in der Tradition des ‘Theaters‘, des Versteckens, des Verkleidens, des make-believe und der erotischen Versprechung. Ein undefinierbarer queerer Unort, ein Dazwischen. (Stefanie Seibold)

A READER – a visual archive, 2006
2 Poster aus einer Serie von 3

Jan-Peter E. R. Sonntag
(geb. 1965 in Lübeck, lebt in Berlin)
sundogs // Nebensonnen, 2011
HD-Video, 2 Kanal Sound, 24. Min.
---
Die Videoinstallation sundogs // Nebensonnen basiert auf einem Musikstück, das Jan-Peter E. R. Sonntag für Peter Carps Inszenierung der Winterreise von Elfriede Jelinek komponierte: ein Stück, das wiederum auf Franz Schuberts gleichnamigen Liederzyklus von 1827 nach Gedichten von Wilhelm Müller zurückgreift.
Analog zu Jelineks Text, in dessen Verschlingungen aus schier endlosen Monologen immer wieder Fragmente aus Müllers Gedichtzyklus aufscheinen, nimmt Sonntag zwei Motive – aus Gute Nacht und dem Wegweiser – auf, verformt und überdehnt sie im Klavier und Alphorn, bis sie zwischen Kontrabass- und Streicher-Klangflächen in endlos erscheinenden Steig- und Fallbewegungen verrauschen. Diese von Sonntag bereits 1993 entwickelten psychoakustischen Vortäuschungen eines endlos steigenden oder fallenden Rauschens basiert auf einer Manipulation der Wendepunkte, die, ähnlich wie beim Möbiusband oder der Escher’schen Treppe, nicht mehr auszumachen sind.
Die durchgehende musikalische Progression ist die Grundlage der audio-visuellen Komposition. Das visuelle Filmmaterial hat keinen Schnitt und ist unbearbeitet. Es zeigt eine mit großer Geschwindigkeit vorbeziehende Landschaft, die beständig von Hinweisen auf urbane und industrielle Umfelder durchbrochen wird und, aufgenommen in einem starken Gegenlicht, fast grafisch wirkt. Fix ist nur die nahe Ferne der grellen Sonnenscheibe im Zentrum des Bildes.

 Jean-Marie Straub / Danièle Huillet,
(Straub: geb. 1933 in Metz, lebt in Rom und Paris;
Huillet: geb. 1936 in Paris, gest. 2006 in Cholet)
En Rachâchant, 1982
16 mm auf Digi-Beta, Schwarz-Weiß, Ton, 6:55 Min.
Courtesy: L'Agence du court métrage, Paris
---
Der Kurzfilm von Straub / Huillet basiert auf einem Kinderbuch von Marguerite Duras. Der kleine Junge Ernesto will nicht mehr zu Schule gehen, weil er dort nur Dinge lernt, die er noch nicht kennt …

deueng
suchenImpressum
instagramfacebooktwitteryoutube
Schlossplatz 2
D-70173 Stuttgart
Fon: +49 (0)711 - 22 33 70
Fax: +49 (0)711-22 33 791
zentrale@wkv-stuttgart.de
Württembergischer Kunstverein Stuttgart