Sergio Zevallos. Ein umherschweifender Körper

DIE GRUPPE CHACLACAYO

Die 1980er-Jahre waren in Peru zutiefst von dem brutalen bewaffneten Kampf zwischen der maoistischen Bewegung „Leuchtender Pfad“ und der Staatsmacht geprägt. Eine Folge dieses Guerillakriegs bestand in dem massiven Terror, der sich überall gegen die Landbevölkerung richtete, insbesondere aber gegen die andinen und indigenen Gemeinschaften des südlichen Hochlands. Die Gruppe Chaclacayo entstand 1982 als Antwort auf diese Gewaltexzesse sowie die damit einhergehenden geschlechtlichen, homophoben und rassischen Diskriminierungen. Der deutsche Künstler Helmut J. Psotta war damals Professor an der Kunstschule der Katholischen Universität von Lima, wo Zevallos und Avellaneda zu seinen Studenten zählten.

Gleich zu Beginn ihrer Zusammenarbeit beschloss die Gruppe, der Kunstszene Limas den Rücken zu kehren, und zog 1982 in ein Haus im Distrikt Chaclacayo. Ziel war es, in größtmöglicher Freiheit, ohne die in der Stadt herrschenden Repressionen, zu arbeiten.

In diesen Jahren entstand ein eigenwilliges experimentelles Werk voller ikonoklastischer, blasphemischer, ritueller, sexueller und transvestitischer Gesten und Akte, das Zeichnungen, Gemälde, Fotografien, aus Abfällen gefertigte Skulpturen, über Böden und Wände wuchernde Installationen, Performances und Prozessionen umfasst. Mit Unterstützung des Goethe-Instituts fand 1984 im Kunstmuseum Lima (MALI) die erste und einzige Ausstellung der Gruppe in Peru statt.

Aufgrund der sozialen Ablehnung und ökonomischen Eingeschränktheit beschloss die Gruppe 1989 schließlich, Peru zu verlassen, und wanderte mit all ihren Werken und Materialien nach Deutschland aus, wo sie bis 1994 weiter als Kollektiv arbeitete.

Zwischen 1989 und 1990 zeigte die Gruppe in verschiedenen deutschen Institutionen, genauer in der ifa-Galerie in Stuttgart, im Badischen Kunstverein in Karlsruhe, im Museum Bochum und im Künstlerhaus Bethanien in Berlin ihre Ausstellung Todesbilder. Peru oder das Ende des europäischen Traums. Darüber hinaus war die Gruppe bis 1994 auf Festivals, in Museen und in Theatern, darunter das Maxim Gorki Theater in Berlin und das Festspielhaus Hellerau in Dresden, mit einer Reihe von Performances präsent.

In diesen Performances versuchte die Gruppe, die Verstrickungen von Kolonialismus und den wirtschaftlichen Folgen des Zweiten Weltkriegs mit den Diktaturen und bewaffneten Konflikten in Lateinamerika, mit Rassismus, sexueller Gewalt und dem Untergang des Kommunismus in Europa aufzuzeigen.

Nach der Auflösung der Gruppe 1995 wurden sämtliche Werke in verschiedenen deutschen Städten eingelagert. Erst durch die langjährige Forschungsarbeit von Miguel A. López, Emilio Tarazona und anderen sowie durch die Ausstellung Ein umherschweifender Körper. Sergio Zevallos in der Gruppe Chaclacayo 2013 im Kunstmuseum Lima gelangten Teile des Werkes zurück nach Lima.

Sergio Zevallos lebt heute in Lima und Berlin, Raúl Avellaneda in Nord-Rhein-Westfalen. Helmut J. Psotta ist 2012 verstorben.

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