Prognose

Ausstellung der Künstler:innenmitglieder
des Württembergischen Kunstvereins

Prognose_Werke.pdf

Werkbeschreibungen redaktionell überarbeitet

Abdoul-Ganiou Demani

Covidentity, 2021

Mit seiner Arbeit verweist Abdoul-Ganiou Demani auf Fragen der menschlichen Identität in den schwierigen Zeiten der Coronavirus-Pandemie. Der Titel Covidentity setzt sich zusammen aus den Wörtern "Covid" und "Identity" (Identität).

Andrea Zug

Gentri-Fickt Euch!, 2021

Im Oktober 2020 wurde mit der Liebig 34 eines der letzten besetzten Häuser in Berlin geräumt. Im Juni 2021 folgte eine gewaltsame Auseinandersetzung in bisher nie da gewesenem Ausmaß zwischen Polizei und Hausbesetzer:innen der Rigaerstraße 94. Autonome Antifaschist:innen errichteten an Barrikaden an beiden Straßenkreuzungen zu ihrem Haus. Dafür entwendeten sie große Mülltonnen der umliegenden Häuser sowie Sperrmüll und setzten die so errichteten Haufen in Brand. Zudem bewarfen sie Polizei und Feuerwehr von der Straße und von den Hausdächern herab mit Pflastersteinen und Brandsätzen.
In Berlin werden gegenwärtig verstärkt linke, alternativ organisierte Wohnprojekte geräumt. Beschleunigt durch überteuerte und weiter steigende Mieten wird damit die Gentrifizierung der Stadt vorangetrieben. Trotz allen Widerstands zeugt dieser Prozess vom Ende einer Ära, in der viele junge Künstler:innen nach Berlin zogen, um sich in den unkommerziellen Freiräumen mit kreativen Experimenten selbst zu verwirklichen. Mit den alternativen Projekten werden die Künstler:innen aus dem Stadtbild verschwinden und somit auch der kreative Flair, der jedes Jahr Tourist:innenschwärme in die Stadt zieht. An der Straßenkreuzung Rigaer Straße und Liebigstraße sind die Spuren des Protests zu sehen. Im Vordergrund Andrea Zugs Plakat.

Andreas Mayer-Brennenstuhl

© VG Bildkunst, Bonn 2021

SYSTEM ERROR RESET, 2021

Angela Murr

Ja, ich BIN die Kunstlehrerin!, 2021

Die Serie Ja, ich BIN die Kunstlehrerin! steht für die künstlerische Wiederaneignung des Bildes der eigenen Person als Reaktion auf dessen mediale Diskreditierung. Die Künstlerin Angela Murr verdient ihren Lebensunterhalt als Kunstlehrerin an einer Schule. 2020 wurde sie zusammen mit anderen Akteur:innen in einem Boulevardmagazin als Täterin vermeintlicher schulischer Unterdrückung dargestellt. Ein Rechtsverfahren ist noch anhängig.
In Folge der Darstellungen in dem Boulevardblatt wurde die Künstlerin verstärkt privat angesprochen und beantwortete Fragen immer häufiger mit der Bestätigung: "Ja, ich bin DIE Kunstlehrerin." Neben dem juristischen Weg bedarf es daher weiterer Strategien, um gegenüber den zwielichtigen Boulevardmedien eigene Gegenöffentlichkeiten herzustellen. Mit den Mitteln der Kunst eignet sich Angela Murr ihre Persönlichkeit als unbescholtene Vertreterin eines wichtigen Berufsstandes wieder an und setzt damit ein Zeichen der souveränen und freien Person. Dabei greift sie auf etablierte Protestmedien wie das Statement-T-Shirt zurück sowie auf gängige typografische Stilmittel aus Boulevardpresse und Social Media zurück.

Anita Stöhr Weber

© VG Bildkunst, Bonn 2021

glänzende Aussichten, 2021

„Glänzende Aussichten“ sind Versprechen auf eine bessere Zukunft, gerade in Zeiten von Finanzkrisen und Einschränkungen persönlicher, wirtschaftlicher, künstlerischer und kultureller Möglichkeiten. Doch diese Aussicht beinhaltet auch ein Element des Trügerischen und der Unsicherheit, dass der Glanz auch nur Schein sein könnte, der Tanz um das goldene Kalb vielleicht bloßer Selbstbetrug ist. Der Schriftzug scheint in Neonleuchtschrift, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts für Fortschritt und Erfolg stand, seit den 1940-er Jahren jedoch wirtschaftlichen Niedergang symbolisiert. Heute wird Neonschrift nicht mehr für Reklame, sondern nur noch für die Kunst produziert. Sie ist daher auch als Verweis auf die Situation der Kunst und Kultur sowie auf die prekäre Arbeits- und Lebensbedingungen von Künstler:innen zu verstehen.
Das Plakat zeigt Anita Stöhr Webers Arbeit o.T., 2013, in der Galerie Michael Sturm, Stuttgart. Diese ist Teil der Werkreihe in Sicherheit, die Sicherheit, Zukunftszweifel und falsche Hoffnungen thematisiert, Faktoren also, die die Wahrnehmung des Einzelnen und der Gesellschaft in Zeiten des Umbruchs bestimmen.

Anna Huxel

© VG Bildkunst, Bonn 2021

Die Rettung, 2021 (2019)

Eingeengt im Bildgeschehen sitzt eine voluminöse, fleischfarbene Figur. Ihr Blick führt aus dem Bild heraus. Ein Rettungsring in ihrer Mitte gibt Halt und wird darüber hinaus selbst zur Quelle für neues Wasser. Mit Die Rettung reflektiert Anna Huxel die Arbeitsweisen und -bedingungen von Künstler:innen in der Pandemie. Der introvertierten Arbeit, aus der heraus sich neue künstlerische Umsetzungen formieren, steht die nach außen gerichtete, interaktive Arbeit gegenüber. Fällt letztere weg, wie durch die pandemiebedingte Isolation, kann dies Quelle für neue, konstruktive Ideen werden. Abgeschnitten von ihrem Umfeld und eingesperrt im eigenen Raum, lernt die menschliche Seele Formen der Inspiration kennen, welche sich aus ihrem Inneren speisen und unabhängig von der Außenwelt an Dynamik zunehmen.

Annagreta König Dansokho

no way back, 2021

Das Schwarze Model im Bild trägt ein Kostüm, das von der Künstlerin aus "angeschwemmten" Verpackungsmaterialien, die sich im Laufe der Zeit angesammelt haben, angefertigt wurde. Die Arbeit mit dem Titel no way back rekurriert damit auf die Prognose, dass die Migration von Menschen aus ressourcenärmeren in wohlhabendere Zonen der Erde in Zukunft verstärkt zunehmen wird sowie darauf, dass es für eine geflüchtete Person nur die Flucht nach vorne gibt, wenn Heimat, Familie und Identität bereits verloren sind. Der Schwarze Sänger Aloe Blacc verdeutlicht die ungleiche Verteilung von Ressourcen: "If I share with you my Story, would you share your Dollar with me?" Dabei ist beides relevant: Die Geschichte und das Geld.

Antje Fischer

Jetzt ist es Zeit, 2021

Arno van Wunder

HOPE, 2021

Hoffnung ist, was uns alle miteinander verbindet und auch durch schwere Zeiten trägt. In Arno van Wunders Plakat steht die Hoffnung gleich mehrfach im Vordergrund. Die Buchstaben H-O-P-E bilden sich aus Wörtern, die für vieles stehen, das uns Kraft gibt. Dabei treten Begriffe in den Hintergrund, die wir mit Negativem verbinden, mit Entbehrungen und Einschränkungen. Die Betrachter:innen sind eingeladen näher zu treten, um die Einzelheiten zu entziffern, die uns Hoffnung geben und die in der Pandemie für ersehnte Veränderungen stehen. Dabei wird das Plakat selbst zur Prognose, dass die Hoffnung bleiben und auch die Pandemie überstehen wird.

Beate Baumgärtner

vielleicht&wahrscheinlich, 2021 (2020)

Das Plakat vielleicht&wahrscheinlich ist Teil der Werkreihe Chatbook, in der die Künstlerin Beate Baumgärtner ihren von Internet, sozialen Medien und Chatrooms inspirierten Ideenpool verarbeitet. Dabei werden die non-physische Kultur, das virtuelle Lebensgefühl und die subversive Kraft alltäglicher digitaler Kommunikation frei, wild und assoziativ in raumgreifende Installationen mit Bannern, Plakaten und skulpturalen Objekten übersetzt. In der Hochphase der Corona-Pandemie entstanden, spiegelt vielleicht&wahrscheinlich zugleich die Resignation ob der lähmenden Situation und die Hoffnung auf bessere Prognosen.

Boris Kerenski

Klendathu, 2021

In seinem Plakat zeigt Boris Kerenski eine Art Kämpfer, der sich gut geschützt mit merkwürdigen Gerätschaften einer Bedrohung annimmt. Eine solche Bedrohung erfährt die Menschheit gegenwärtig ganz real durch die Ausbreitung eines Virus. Dieses wird häufig verbildlicht als zu bekämpfender, schlauer Gegner dargestellt, der sich verwandeln beziehungsweise mutieren kann, der aber am Ende durch technologische Überlegenheit (Impfung) in Schach gehalten oder gar vollständig besiegt werden kann. Mit dem Titel Klendathu stellt der Künstler eine Analogie zum gleichnamigen Planeten in Paul Verhoevens Starship Troopers her. Dieser wird von Bugs bewohnt, einer Zivilisation von Spinnentieren, welche die Existenz der Menschheit bedrohen.

Charlie Stein

© VG Bildkunst, Bonn 2021

You are the Product, 2021

Durch die Nutzung des Internets und der damit zur Verfügung gestellten Daten genererien mathematische Modelle ein verzerrtes Bild der Nutzer:innen. Charlie Steins Arbeit liegt die vielzitierte Medienweisheit „If you‘re not paying for it, you‘re the product being sold“ zu Grunde. Ein Paar glänzender Schuhe wird auf einem Marmorpodest präsentiert. Aus zahlreichen Augen erwidern die Schuhe chimärenhaft den Blick der Betrachtenden. You are the Product verhandelt das Moment der Überwachung, der Überlegenheit des Produkts gegenüber der Nutzer:innen und erinnert daran, wer tatsächlich zur „commodity“, also zur Ressource in der gegenwärtigen kapitalistischen Gesellschaft wird.

Christoph Bodmer

Embajadores, 2021

Auf dem Weg zum Museo Reina Sofía in Madrid sah ich an einer Hauswand alte Plakate, die auf einer Blechklappe mit Lüftungsschlitzen klebten. Das Abnehmen der Plakate erinnert gleichermaßen an Verfahrensweisen der medizinischen Chirurgie sowie der Archäologie. Die Passant:innen gingen vorbei, niemand interessierte sich dafür. Höchstens ein erstaunter Blick, was da geschieht. Als ich die fertige Décollage wenig später auf Instagram postete, war das Interesse dagegen groß. In diesen neuen Kontext versetzt, erhielt die Arbeit innerhalb von zwei Tagen 150 Likes.

Christoph Frick

Prognose, 2021

Mit Interesse verfolge ich die Fernseh-Wettervorhersage für den nächsten Tag. Dabei rutscht regelmäßig meine Aufmerksamkeit weg von der metrologischen Aussage hin zum Verhältnis von 'Figur und Hintergrund'. Die Gestik, die Auswahl der Kleidung der Sprecherin steht in einem Spannungsverhältnis zu den gezeigten Schautafeln. Am Ende der Prognose weiß ich wieder mal nicht, ob morgen die Sonne lacht. Jedoch bin ich um ein Handybild reicher. Scheinbar wirkt die Kraft der aktuell gezeigten Bildbotschaft bei mir stärker als die zugrunde liegende Prognose. Und wieder hab ich am nächsten Tag prompt den Schirm vergessen, obwohl es Katzen hagelt.

Claude Horstmann

© VG Bildkunst, Bonn 2021

twenty-four, 2021

Als Plakat im öffentlichen Raum evoziert twenty-four im Kurzschluss mit den Betrachter:innen ein zeitliches Moment der Gegenbewegung. Es spricht sie in ihrer je eigenen Singularität an, zielt dabei aber ebenso auf das Gemeinsame ab. Die Zahlen 1 bis 24 sind gleichermaßen zeichnerisch wie eingebettet in eine Zweckmäßigkeit und erzeugen so eine Idee (unabhängiger) Eigen- oder Gegenzeit.

Conny Luley

© VG Bildkunst, Bonn 2021

INZIDENZ vs. KUNST&KULTUR, 2021

Das Plakat nimmt Bezug auf den Inzidenzwert, der in der Pandemie die Vorschriften – häufig Einschränkungen – für das tägliche Leben bestimmt. Kunst und Kultur werden im Zuge dessen stark beschränkt und bei der Festlegung von Einschränkungen und Möglichkeiten teilweise nicht ausreichend differenziert betrachtet (Hygienekonzepte, Flächen, Besucher:innenzahlen, Testkonzepte usw.). Die Bedeutung von Kunst und Kultur für die Gesellschaft und für die psychische Gesundheit ihrer Mitglieder wurde anderen Kriterien nachgeordnet. Die Auswirkungen sind bisher nicht überschaubar und bezifferbar.

Constantin Pack

T-Rex‘s Breakfast Forecast: Overheating of the housing market?, 2021

Mit den Mitteln der analogen Schwarz-Weiß-Fotografie setzt sich Constantin Pack mit dem knapp werdenden Wohnungsmarkt in Stuttgart auseinander. Eine mögliche Frage des sozialkritischen Denkens lautet dabei: Macht die Masse an Prognosen blind?

Dörte Behn

© VG Bildkunst, Bonn 2021

Notbehelf/Prognose, 2021

Dörte Behn erkundet den Klappstuhl in seiner Funktion als idealer Notbehelf für unvorhersehbare Situationen. Dabei stellt sie fest: Das Image des Klappstuhls könnte besser sein.

Eva Schmeckenbecher

© VG Bildkunst, Bonn 2021

GEMCO, 2021

Auf einen Traum von durch und durch roten Figuren folgt wenige Tage darauf der Fund einer roten Plastikpuppe. Beide Geschehnisse wurden protokolliert (QR-Code) und die Puppe eingescannt zur Protagonistin des Plakates gemacht. GEMCO ist eine unfertige Arbeit, eine Skizze. Sie richtet die Aufmerksamkeit auf das selbst erlebte Phänomen, dass ein Traum etwas aus der Wirklichkeit vorwegnimmt, nichts weiter.

Frank Aumüller

© VG Bildkunst, Bonn 2021

Pleasureland, 2021 (2010)

Die Pandemie hat Grenzen des globalen Handelns aufgezeigt. Doch unabhängig von den pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen verursachen von Menschen willkürlich gesetzte Beschränkungen wie Grenzen, Zäune und Mauern die Ausgrenzung beziehungsweise Abschottung bestimmter Personengruppen. Der kunstvolle Schriftzug auf einer abweisenden Fassade wirkt als verheißungsvolle Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Das fotografierte Gebäude steht in Johannesburg, Südafrika, wo Kontaktbeschränkungen aus gesellschaftspolitischen Gründen zum täglichen Leben dazugehören. Was das Pleasureland tatsächlich ist, konnte der Künstler nicht herausfinden, da ihm als Nicht-Mitglied der Zutritt verwehrt wurde.

Gabriele Zeller-Kramer

Was bringt die Zukunft?, 2021

Gabriele Zeller-Kramers Plakat beruht auf einem ihrer Gemälde, in dem ein Schaf fragend die Betrachter:innen anblickt: Was bringt die Zukunft?

Gala Goebel

© VG Bildkunst, Bonn 2021

Künstler_innen, 2021

Zwischen Autokorrektur, Abkürzungen und Tippfehlern entsteht eine neue Sprache. Bedingt durch tradierte Grammatik, gleichzeitig offen für Experimente und im andauernden kritischen Diskurs, zeigen sich die Möglichkeiten durch geschriebene und gesprochene Worte, unseren Blick auf die Welt zu verändern und immer wieder zu hinterfragen. In der Auto-Korrektur steckt eine Bewertung, die einen Moment zwischen einem Jetzt und einem Morgen, zwischen richtig und falsch, zwischen Manifestation und Möglichkeit digital festschreibt.

Georg Heller

Produzenten Konsumenten II, 2021

Neue Technologien wie Quantencomputer, Virtual Reality und Kernfusionsenergie als Mittel der Kunst ermöglichen der Menschheit sich von der momentanen unheilvollen Vernetzung von Produktion und Konsum zu lösen, die sich am Hedonismus der Gesellschaft orientiert. Als Abbildung des chaotischen Jetztzustands ist Georg Hellers Plakat Produzenten Konsumenten II als mahnendes Werk zur Neuausrichtung zu verstehen.

Georg Ozory

change to a new saddle, 2021

Der Fahrradsattel auf Georg Ozorys Plakat ist abgenutzt und hat offensichtlich ausgedient. Dies veranlasst zum titelgebenden Ruf nach Erneuerung, nach einem Wechsel der Ansichten und Aussichten, nach einer Korrektur der Handlungen. Was genau damit gemeint ist, das obliegt der Auffassung der Einzelnen, ganz wie es gerade zur jeweiligen Weltlage und persönlichen Lebenssituation passt.

Geraldine Frisch

WELTVERMASSUNG, 2021

Eine leerstehende Holzhütte dient als Schutzraum bei Regen oder Unwetter. Doch mit dem zerrissenen Vorhang im Eingang wird die Hütte auch zum Symbol für die gegenwärtige Situation, in der sich Maß und Werte der Welt eklatant verschieben. Die Pandemie bringt unwiederbringliche Veränderungen hervor. Selbst für Errungenschaften der modernen Werbetechnik scheint das Gehäuse ungeeignet: Plakatieren verboten.

Götz Wintterlin

ohne Titel, 2021

Mit seiner Arbeit verweist Götz Wintterlin auf das stets bleibende Restrisiko aller wissenschaftlichen Analysen und Prognosen, dass es bei Anwendung von variierenden Kriterien und Denkweisen zu gänzlich anderen Ergebnissen kommen kann.

Hartmut Hörmann

WYSIWYS (WHAT YOU SEE IS WHAT YOU SEE), 2021

Autonome Systeme wie von der Automobilindustrie entwickelt, geben vor mittels komplexer Algorithmen und Messsysteme mögliche Verkehrshindernisse zuverlässig vorhersagen oder vorhersehen zu können. In welchem Verhältnis vertraut der Mensch hingegen seiner eigenen Sehkraft? Sieht er denn, was er sieht? Das abgebildete Pattern, entwickelt vom Max-Planck-Institut für intelligente Systeme in Tübingen, trickst den Algorithmus aus – die Maschine fährt gegen den Baum. So steht es sinnbildlich für die Entwicklungen der Technologie sowie für die Skepsis, die sie hervorrufen, und für die von Menschen veranlassten Gegenmaßnahmen. Hartmut Hörmann nimmt es zum Anlass mit dem Muster zu spielen, es zu appropriieren und zu verändern.

Heike Patrizia Doll

ohne Titel, 2021

Heike Patrizia Doll befasst sich mit den Bedeutungen von Liebe und Wissenschaft in der Zukunft. Beide haben in der Vergangenheit wesentliche Veränderungen erfahren und werden sich auch in der Zukunft auf unvorhersehbare Weise weiterentwickeln. Der Verlauf der Zukunft hängt heute stärker denn je von der Wissenschaft ab. Doch sind Wissenschaftler:innen und Entscheider:innen ihrer Macht und Fähigkeiten würdig? Was die Zukunft bringen wird, ist unbekannt. Fortschrittliche wissenschaftliche Entwicklungen sind für viele Menschen nicht nachvollziehbar oder vorstellbar. Die Auseinandersetzung mit Zukunftsvisionen tut jedoch not, auch wenn es unbequem ist alte Muster loszulassen und sich an der Gestaltung der Zukunft, mit all ihren ungeahnten positiven und negativen Möglichkeiten zu beteiligen.
Gleichzeitig ist nicht zu vergessen, dass das Leben sich im Moment abspielt und von Optimismus und Pessimismus, von Liebe und Vertrauen geprägt ist, welche unsere jeweiligen Zukunftsängste und Zukunftswünsche im persönlichen Leben wesentlich stärker bestimmen als es Wissenschaft und Technik vermögen.

Hildegard Esslinger

Hurra!, 2021

Hildegard Esslingers Plakat drückt auf euphorisch übertriebene Weise die Erleichterung darüber aus, dass ein Ende der Pandemie in Sicht scheint – Hurra!

Hyang-Hee ANN

Life goes on, 2021

Als Ausdruck der Zuversicht wurden im Laufe des Lockdowns selbstgemalte Bilder von Regenbögen in die Fenster von Wohnungen gehängt. Sie spendeten Trost in einer Zeit, in der alles stillstand und nicht klar war, wann es enden würde. Viele Menschen litten seelisch und/oder körperlich unter der Pandemie. Doch das Träumen von den schönen Momenten, ob vor oder nach der Pandemie, hilft dabei die schwere Zeit zu überdauern. Regenbogen verbinden sich in der Arbeit von Hyang-Hee ANN mit einer Strophe aus einem Beatles-Song zu Zeichen der Hoffnung: "Ob-la di, ob-la da, Life goes on, bra".

Ingrid Pohl

KUNST BRENNT LICHTERLOH, 2021

Das hier adressierte Brennen der Kunst ist in einem doppelten Sinne zu verstehen: Es ist einerseits Ausdruck des Bedrängnisses, in das die Kunst durch die pandemiebedingten Einschränkungen gerät sowie einer durch digitale Technologien drohenden Auflösung in NFT-Formate und dergleichen. Andererseits steht die lodernde Kraft des Feuers für die Fähigkeit der Kunst, in die dunkelsten Gegenden von Innen- und Außenwelten hineinzuleuchten und allen Verbrennungen brennend zu widerstehen.

Iris Alvarenga

© VG Bildkunst, Bonn 2021

Selbstportrait nach der Katastrophe, 2021

Sich unsichtbar zu machen – eine  solche Isolierung würde nicht nur zum Schutz vor Ansteckung mit gefährlichen Krankheiten dienen, sondern auch der Ausgesetztheit der eigenen Persönlichkeit entgegenwirken. Durch Rückzug und schützende Kleidungsschichten wird unkenntlich, wer hier portraitiert wird. Anorak, Mütze und Schal bewahren die eigene Identität vor den Blicken anderer und vor der Kälte, ob von innen oder außen.

Isa Dahl

© VG Bildkunst, Bonn 2021

grow, 2021

Die Serie grow visualisiert einfache, sich organisiert entwickelnde dynamische Grundformen. Eine wichtige Rolle spielen dabei Prozesse des Wachsens. Gleichzeitig drängt uns die Gegenwart zu einem neuen Denken über Wachstum.

Joachim Kupke

© VG Bildkunst, Bonn 2021

In Lockdown-Zeiten sich mit der Welt zu Hause gemütlich machen. (Wissenschaftler befürchten 4. Welle der Corona-Epidemie), 2021

Johannes Zorell

Pandemie, 2021

Bei Pandemie: zuhause kochen, backen, essen.

Jörg Buchmann

Die Weizenernte, weltweit, ein ganzes Jahr, tausendfach, 2021

Das exponentielle Wachstum, ein Hauptmerkmal der COVID-19-Pandemie, kommt im menschlichen Erfahrungsschatz nicht vor und kann somit ohne mathematische Erkenntnis nicht erfasst werden. Im Zuge der Pandemie hat sich gerade die wissenschaftliche im Vergleich zur intuitiven Prognose als zutreffender erwiesen. Der Mensch tut sich generell schwer im Umgang mit extremen Krisensituationen. Er pendelt zwischen dem Leugnen und dem Bedürfnis, einen Schuldigen zu finden. Die Auswüchse zeigen sich aktuell in sich an der Pandemie entzündenden Verschwörungserzählungen, Antisemitismus und Wissenschaftsfeindlichkeit. Hier entfaltet die Intuition gepaart mit Feindbildern eine destruktive pseudoaufklärerische Wirkung. In seiner Arbeit greift Jörg Buchmann die verführerische Kraft auf, die in der Fehleinschätzung exponentiellen Wachstums liegt. Als anschauliches Beispiel gilt eine Legende, nach der der indische Herrscher Shihram einwilligte, den Erfinder des Schachspiels in Weizenkörnern zu entlohnen, für das erste Feld des Schachpiels mit einem Weizenkorn und für die restlichen 63 Felder jeweils die doppelte Menge des vorangegangenen Feldes (2, 4, 8, 16, 32, 64, ...). Was zunächst eine überschaubare Summe zu sein scheint, wächst zu einer unvorstellbar großen Menge von 18 Trillionen 446 Billiarden 744 Billionen 73 Milliarden 709 Millionen 551 Tausend 615 Weizenkörnern an. Diese Zahl entspricht der weltweiten Weizenernte von insgesamt etwa tausend Jahren.

Jorge Garzón Pérez

Alles was fest ist, wird nicht in der Luft schmelzen, 2021

Jorge Garzón Pérez interpretiert den berühmten Satz von Karl Marx um, der im Original lautet: „Alles, was fest ist, schmilzt in der Luft.“ Der Künstler hinterfragt so, wie Marx Prognose vom Ende des Kapitalismus und die damit verbundene Konstruktion neuer Utopien in der gegenwärtigen Zeit zur Dystopie wird, in denen jene vorausgesagte, vermeintlich glückliche Welt sich immer weiter entfernt.

Julia Wirth

Trickster, 2021

Die Figur des Tricksters ist ein archetypischer Narr, der in der Mythologie vieler Kulturen dafür zuständig ist die kosmologische Ordnung zu stören und damit Raum für Veränderung zu schaffen. Bei Julia Wirth kommt dem Trickster die symbolträchtige Funktion zu, den Selbstbetrug des Menschen aufzudecken, indem er kommende Entwicklungen scheinbar vorhersehen und messen kann. Er erscheint ohne genauere Bestimmung als Tintenklecks auf dem Bild einer Überwachungskamera. Auch die projektive Methode des Rohrschach-Tests, dem das Bild des Tintenkleckses entstammt, ist seit knapp 100 Jahren eine streitbare Prognose möglicher Störungs- und Persönlichkeitsmuster.

Jürgen Kleinmann

© VG Bildkunst, Bonn 2021

WGLF (Wild Game Liberation Front), 2021

Jürgen Liefmann

© VG Bildkunst, Bonn 2021

ohne Titel, 2021

Das Plakat von Jürgen Liefmann dokumentiert die Abfolge unterschiedlicher Schutzmaßnahmen in einem zeitlichen Verlauf. Zwei Personen treffen sich und unterhalten sich angeregt über einen längeren Zeitraum hinweg. Dabei lassen sie sich weder von den Passant:innen noch vom Regen stören. Mit dem Aufhören des Regens werden die schützenden Schirme zugeklappt und es wird ein Mundschutz angelegt, der vor Ansteckung mit dem Corona-Virus schützen soll. Zeitgleich scheint das Gespräch nun beendet zu sein und die Personen setzen sich in Bewegung.

Karla Fischer

© VG Bildkunst, Bonn 2021

One Night Stand – More Than Meets the Eye, 2021

Mit der in Plakatform präsentierten Collage erinnert Karla Fischer an New Yorks berühmteste Sozialarbeiterin, Geschäftsfrau und Reformerin Josephine Shaw Lowell (1843-1905). Sie engagierte sich zu Lebzeiten für obdachlose, misshandelte Frauen, für die Ausbildung von Afroamerikanerinnen und war Stifterin der Public Library in New York City. Eine ihrer einflussreichsten Organisationen war die New Yorker Consumer ?s League (NCL), die sie 1890 gegründet hatte, um die Löhne und Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen in New York (später im ganzen Land) zu verbessern. Josephine Shaw veröffentlichte in einer – zunächst denkbar kurzen – „Weißen Liste“ alle Geschäfte, die ihre Arbeiterinnen fair entlohnten und gut behandelten.
Das im öffentlichen Raum verortete Gedenken an eine selbstbewusste, entschlossene und engagierte Frau, die als beispielhafte Vorkämpferin für entrechtete, benachteiligte Frauen zu sehen ist, verweist zugleich mahnend auf die gegenwärtig fortbestehende und zunehmende häusliche Gewalt, gesellschaftliche Benachteiligung und wirtschaftliche Ausbeutung, von der Frauen weltweit betroffen sind.

Katharina Dörr

Ich hab‘s gewußt, 2021

Die Stickschrift als eine sorgfältig kultivierte und über den langen Zeitraum des Stickens ausgeführte Geste wird hier zur Verbildlichung einer wohl gehüteten und zurückgehaltenen Prognose, die dem Umfeld erst präsentiert wird, wenn sie sich ihrer Bestätigung durch eingetretenes Missliches bereits versichern konnte. „Ich hab‘s gewußt“ erscheint als Aussage eines Menschencharakters, der im Stillen mitdeutet, ahnt, befürchtet und somit erwartet – aber eben wartet. Er harrt aus und bleibt still, investiert keine Energie in Auseinandersetzung oder Partizipation, bis er mit diesem Satz wieder Luft holt und sich mitteilt, sich dabei aber ausgesprochen sorgfältig separiert, alleinstellt und sich selbst genügt.

Katrin Kinsler

Bedingung, 2021

Schwarz auf Weiß, das signalisiert: Eines ist sicher, so wird es kommen. Wenn wir uns alle anstrengen und unser Bestes geben, um die Welt zum Besseren zu ändern, dann wird alles gut – oder? Eines bedingt das Andere – Aktion und Reaktion.

Kerstin Schaefer

© VG Bildkunst, Bonn 2021

„too much“, 2021

Lene Rose Gruner

KOMM, GANG IMPFA, 2021

In Stuttgarter Dialektform des Schwäbischen fordert das Plakat die Menschen im Ländle dazu auf, sich gegen das Corona-Virus impfen zu lassen. Wie die Wahl der Mundart, so spricht auch die Form der händischen Zeichnung und Schrift die Betrachter:innen auf direkte und persönliche Weise an.

Madeleine Schwinge

The Psychedelic Chicks, Cyborgs‘n Angels (Imagine, we could be the ones to change it all), 2021

Unter dem Label Seek Tomorrow Productions veröffentlicht Madeleine Schwinge seit 2016 Alben, Konzertplakate und Fanartikel ihrer fiktiven Rockband The Psychedelic Chicks. In verschiedenen Medien verarbeitet sie Bild- und Textfragmente aus sozialen Medien und internationalen Print-Magazinen. So werden äußerliche Veränderungen, innere Zerrbilder, menschliche Ängste und Träume, der Wandel von Werten, Imagination und Spekulation sowie die Überlagerungen von Zeit und Raum verhandelt.
Das Plakat Cyborgs’n Angels fragt nach modernen Erlösungsmythen und der Folgenabschätzung technologischen Fortschritts, der auf einem trans- und posthumanistischen Weltbild beruht. Wie können fluide, nachhaltige und faire Utopien für das 21. Jahrhundert aussehen? Welche Antworten auf unsere Zukunfts- oder Entscheidungsfragen können wir erwarten? Handelt es sich hier um die Anrufung eines Orakels?

Martina Kimmerle

Grow, 2021

Mit dem titelgebenden Aufruf „Grow!“ verbindet die Arbeit die persönliche Aufgabe, über eigene unbewusste Verhaltensmuster hinauszuwachsen, um zu einer möglichst rapiden Evolution der Menschheit hin zum Wohle aller beizutragen. Die Arbeit beruht auf der Auseinandersetzung der Künstlerin mit der Integralen Theorie Ken Wilbers. In seinem jüngsten Werk The Religion of Tomorrow (2017) verbindet dieser gegenwärtige Wissenschaften, die Weisheit der Weltreligionen und die Möglichkeiten menschlichen Seins.

Martina Staudenmayer

© VG Bildkunst, Bonn 2021

warten, 2021

Das Warten, ob an einer öden Straße am Waldrand oder anderswo, steht hier sinnbildlich für das Ausharren in der Unsicherheit ob das Vorhergesagte auch eintreffen wird.

Martina Vogt

Die Uhr tickt …, 2021

Im Generationenvertrag für das Klima der Bundesregierung heißt es: „Mit der Änderung des Klimaschutzgesetzes verschärft die Bundesregierung die Klimaschutzvorgaben und verankert das Ziel der Treibhausneutralität bis 2045.“ Die großen Pläne erweisen sich häufig als bloße Lippenbekenntnisse. Denn bei allem gibt es Einschränkungen, sobald der eigene Betrieb, die Familie oder die eigene Person betroffen sind. Vor der Abkehr der ewigen Gewinnmaximierung, werden die Augen geschlossen. Wenn alle wegschauen, wird die Prognose zur Terminverschiebung, Jahr um Jahr um Jahr.

Michael Jochum

© VG Bildkunst, Bonn 2021

je est un'autre, Fotografie, 2021

Myriam Lutz

M., 2021

Eine private Fotografie schafft es, ein kleines Stück Papier für ihren Besitzer in einen Gegenstand von besonderem Wert zu verwandeln. Gleichzeitig besitzen private Fotografien jedoch auch eine allgemeine Wiedererkennbarkeit und Lesbarkeit durch typische Situationen und Bildkompositionen. Die private, analoge Fotografie als persönlicher und einzigartiger Speicher von Zeitgeschehen zieht das besondere Interesse der Künstlerin Myriam Lutz auf sich. Schnappschüsse, Passfotos, Studioaufnahmen und andere Erinnerungsstücke aus vergangenen Zeiten vermitteln nur Hinweise auf das wirkliche Geschehen vor und hinter der Kamera. Anhand dessen ergänzen wir es um unsere eigenen Bilder und Geschichten.

NERZ-KG (Brigitte Braun und Betina Panek)

DASS NICHT NICHTS IST – Nimm den Teppich und fliege!, 2021

Angesichts der pandemiebedingt eingeschränkten Möglichkeiten des Entwickelns, Präsentierens und Vermittelns von Kunst, hinterfragt und erprobt NERZ-KG neue Räume des direkten Erlebens von Kunst und kommunikativer Prozesse. Wie sollen Präsentationen, die Raum und Zeit benötigen, zukünftig aussehen? Welche Formen braucht es, um unter den veränderten Gegebenheiten einen Diskurs in Gang zu setzen? Und wie kann künstlerische Intervention dem Individuum neue Ansätze im Denken und Handeln eröffnen? Das Plakat DASS NICHT NICHTS IST versammelt einige Werkzeuge (Tools), die der Auseinandersetzung mit diesen Fragen dienen sollen, an einem „Un-Ort“ unter einer Straßenbrücke. Der QR-Code führt zu einer Website mit weiteren Informationen. Die Betrachter:innen des Plakats und Besucher:innen der Website sind dazu eingeladen, sich an der Aktion zu beteiligen. Handlungen im öffentlichen Raum, gestaltete Orte, Gedankenspielräume, Interventionen, Experimente, Ideen, Bilder, Installationen und dergleichen mehr können unter Verwendung der vorgeschlagenen oder selbst hinzugefügter Tools umgesetzt und per E-Mail an NERZ-KG gesandt werden. Auf der Website erhalten sie ihren eigenen Raum, ihre Plattform, ihr Forum.

Patricia Otte

gnosis*proLIBERTAS, 2021

In der Corona-Krise prognostizierten Wissenschaftler:innen einen signifikaten Anstieg der mit dem Covid-Virus infizierten Menschen, wenn die Bevölkerung ihr Verhalten nicht ändert. Durch die erhöhte Sterbezahl durch Covid und den notwendigen Schutz insbesondere alter und kranker Menschen rückt Absatz 1 des Grundgesetzes in den Fokus gesellschaftspolitischer Verhandlungen: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Um die Ausbreitung des Virus einzudämmen, ordnen Politiker:innen Abstandsregelungen, die Schließung von Geschäften und weitere Formen der sozialen Isolation durch Maßnahmen des Lockdowns an. Diese Anordnungen sind als maßgebliche Einschränkungen der persönlichen Freiheit zu sehen, wenn sie auch dem Schutz des Lebens anderer dienen. Die Einhaltung der Vorgaben wurde durch die Polizei als ausführendes Organ kontrolliert und sanktioniert. Somit zeigt die Covid-Pandemie deutlich, dass der Schutz sowohl der Gesundheit als auch der persönlichen Freiheiten der Bevölkerung unter stetiger Berücksichtigung und sorgfältiger Abwägung der Grundrechte zu gewährleisten ist. Diese spannungsgeladene Aufgabe, die auch in Zukunft bestehen bleiben wird, erfordert die gesellschaftliche und politische Diskussion der grundrechtlichen Rahmenbedingungen. Nur so können gesellschaftlich tragfähige Wege gefunden werden, wie die Welt in Zukunft mit dem Virus leben kann.

Prognose (pro gnosis)
gnosis*proLIBERTAS (Kenntnis/Wissen über den Covid-Virus*für unsere FREIHEIT)

Peter Dannenhauer

Komm den Narren zuhören, 2021

In Komm den Narren zuhören setzen sich einzelne Wörter, wie sie uns im öffentlichen Raum begegnen, in einem neuen Kontext zusammen. Im Gegensatz zu Flyern und Postkarten, die immer auch für ein konkretes Produkt oder ein Angebot werben, stellt die hier neu gebildete Aussage lediglich Zukunft in Frage und hat einen uneindeutigen Appellcharakter. Denn es bleibt unklar, was genau zu tun ist. Sind die früheren Hofnarren gemeint, die scharfe Beobachter des Zeitgeschehens waren und auch Unangenehmes aussprechen durften? Sind diejenigen gemeint, die Zukunftsszenarien entwickeln, vor bedrohlichen Entwicklungen warnen und die die politischen Entscheidungsträger kritisieren und auch beraten? Und deren Meinung und Erkenntnis, wenn zu unpassend ist, als Narretei abgetan wird? Gleichen heutige Inszenierungen von Wissenschaft und Forschung in den Medien und Talkshows manchmal selbst einem Narrenspiel und wem lohnt es sich dann zuzuhören? Was würde sich ändern, wenn wir tatsächlich den „Narren“ zuhören würden?

Peter Geisselmeier

© VG Bildkunst, Bonn 2021

COVID 21, 2021 (2020)

Die Entwicklung neuartiger Viren geht auf die Handlungen und Verhaltensweisen der Menschen zurück. Solange die Menschen zerstörerische Konsum- und Essgewohnheiten an den Tag legen, Urwälder und Ökosysteme zerstören und die Meere mit Müll zuschütten, wird es Covid 21, 22, 23, … geben.

Peter Helm

© VG Bildkunst, Bonn 2021

Und immer wieder geht die Sonne auf, 2021

Peter Helms Arbeit plädiert dafür, alle Herausforderungen des Lebens mit Empathie anzugehen. Sind nicht Optimismus und ein positiver Blick auf das, was das Leben anzubieten hat, wichtiger als Grübeln und Theorien, die doch zu keinen Lösungen führen?

Raúl López García

CORODNA, 2021

Im Zuge technologischen Wandels entstehen immer auch neue Rechtfertigungen zur Überwachung einer Gesellschaft, in der ohnehin bereits freiwillig Daten über soziale und ökonomische Gegebenheiten zur Verfügung gestellt werden. Mit neuartigen Maßnahmen zur Kontrolle der Ausbreitung der Corona-Pandemie scheint nun eine neue Form des Tracking legitimiert und verbreitet zu werden. Sie entsteht nicht aus einem Bedürfnis nach Bequemlichkeit heraus, sondern baut auf Angst und Unsicherheit auf – Faktoren, die vermeintlich gute Gründe für noch mehr Kontrolle zu liefern scheinen. Das Plakat CORODNA ist Teil einer während des Lockdowns entstandenen Serie.

Reinhold Adt

© VG Bildkunst, Bonn 2021

Geschenkpapier 5, 2021

Das Plakat versammelt die beruflichen Erfahrungen Reinhold Adts in Form von Zitaten anderer Künstler, Schriftsteller:innen, Musiker, Philosophen, Architekten und weiterer Personen des öffentlichen und kulturellen Lebens.

REIZ (Christoph Wetzel)

Schwarzwald 2030, 2021

Die unzähligen schweren Waldbrände der letzten Jahre sind vielleicht eines der eindrücklichsten Zeichen des Klimawandels. Gleichzeitig verweisen die Bilder von brennenden Wäldern rund um den Globus auf Brandrodungen und andere Verbrechen an der Natur. Im Jahr 2030, das im Pariser Klimaabkommen explizit als Ziel genannt wird, könnte es unabhängig von den bisherigen, unzureichenden Bemühungen, schon zu spät sein. Wie genau dieses „zu spät“ auch in Deutschland aussehen kann, zeigt das Plakat am Beispiel des Schwarzwalds.

Rolf Hausberg

Das kann ja heiter werden..., 2021

Ruth Rosa Stützle-Kaiser

ohne Titel, 2021

Die Natur ist weit komplexer, als es Menschen begreifen und berechnen können. Das äußert sich in all ihren Erscheinungen, sowohl im ästhetischen Reichtum wie auch in den von Menschen verursachten Auswirkungen auf das Klima und die Artenvielfalt. Diese Komplexität, aber auch Fragilität zeigt sich selbst in den kleinsten Dingen, wie etwa der Feuerbohne. Jede Bohne ist in Form, Farbe und Zeichnung einzigartig. Der Anblick einer Seite der Bohne lässt keinen voraussagenden Schluss auf die Zeichnung auf der anderen Seite zu. Das Plakat zeigt Exemplare der regionalen Sorte Schwabenbohne.

Serge de Waha

Freibier, 2021

Beim Pyramidenbau im alten Ägypten wurde die arbeitende Bevölkerung mit Bier und Brot entschädigt, und vielleicht auch bei Laune gehalten. Im 19. Jahrhundert verhinderten Ludwig der I. und sein Bruder Carl in München aufkommende Unruhen durch den Ausschank von Freibier. Um die Immunisierungsquote zu erhöhen und Impfanreize zu schaffen, werden die Bürger:innen der US-Staaten derzeit mit Freibier und Joints gelockt. Im Zentrum Stuttgarts eröffnet das Lautenschlager den Sommer mit 200 Liter Freibier.

Sibylle Burr

never give up, 2021

In der S-Bahn in Berlin sitzen der Künstlerin zwei Mädchen gegenüber. Am Saum des Rocks der einen ist ein Spruchband angenäht mit der Formel: „never give up never give up never give up never give up never give up“. Diese Form der Prognose entspricht dem Überlebenswillen sowie dem Fortbestand durch Anpassung der verschiedenen Kreaturen der Erde, seien es Pflanzen, Tiere, Menschen, Viren oder Bakterien. So passen Kakteen sich durch Mutation und Selektion an extreme Hitze an, wenn sie Speicherorgane für Wasser generieren oder ihre Oberfläche durch Ausbildung von Stacheln verkleinern.

Siegfried Zwicker

wann wird dieses spiel endlich nur noch ein spiel sein, 2021

Siegfried Zwicker betrachtet Politik als Interaktion zwischen Menschen, so wie Spiel Interaktion ist. Auch Politik kann als Spiel verstanden werden, doch ist es leider meistens ein eher unerfreuliches und unerquickliches, ein starres Spiel, das ängstlich, dogmatisch und nur auf den eigenen Vorteil lauernd strukturiert ist. Dann hat es die Bezeichnung Spiel also gar nicht verdient! Denn wirkliches Spiel ist erquicklich, erfreulich, gemeinschaftlich und undogmatisch.

Sigrid Herold

ES BLÜHT!, 2021

Simon Herkner

L'ARRACHE COEUR, 2021

Ankündigung des Arbeitsvorhabens L'ARRACHE COUER: Unter diesem Titel finden 2022 bis 2023 diverse Projekte des Künstlers statt – so die Prognose des Künstlers.

Stefan Reinhardt

Zukunft Selber Malen / Mal Dich Reich, 2021

Anhand von Kursverläufen ausgewählter börsennotierter Unternehmen, die in besonderer und unterschiedlicher Weise vom Verlauf der Corona-Krise betroffen waren/sind, verhandelt Zukunft Selber Malen / Mal Dich Reich beispielhaft Vorgänge während der Pandemie. Auf dem Hintergrund der Kacheln des westdeutschen Galeria Kaufhof Unternehmens werden 21 Drei-Jahres-Graphen, die auf Daten der Börse Stuttgart beruhen, präsentiert. Die händisch angefertigten Linien folgen annähernd den ursprünglichen Kurven, weisen jedoch eine Differenz zwischen Verlauf und Nachzeichnung auf. Was wäre eine Prognose der Kurse? Die Betrachter:innen sind dazu eingeladen in die Zukunft zu malen.

Stefan Tümpel

© VG Bildkunst, Bonn 2021

Take it or leave it, 2021

Stefanie Reling-Burns

Twinkle Twinkle Litte Star, 2021

Stefanie Reling-Burns widmet das Plakat Twinkle Twinkle Little Star all jenen Menschen, für die das Leben gegenwärtig aufgrund einer Wahrnehmungsstörung besonders bedrohend oder verwirrend erscheint, sowie insbesondere ihrem Sohn. Dieser ist Autist und kann die Geschehnisse der letzten Monate nicht nachvollziehen. Er lebt ausschließlich im Jetzt, kann mental nur den aktuellen Zeitpunkt und Aussichten höchstens bis zum nächsten Tag verarbeiten. Prognosen als vage Zukunftsvisionen, die nicht real im jeweiligen Moment existieren, sind für ihn daher ungreifbare Konzepte. Der Verlust des gewohnten Alltags und die Angst vor ständigen Veränderungen gleicht täglicher Trauerbewältigung. Wenn der innere Schmerz zu stark wird, kompensiert er diesen mit äußerem Schmerz. Wut und Verzweiflung entladen sich dann an seiner Kinderzimmerwand. Die hinterlassenen Spuren stehen sinnbildlich für die gegenwärtige Gesamtsituation, in der die Menschen einer globalen Katastrophe ausgesetzt sind und auf die Weitsichtigkeit der Entscheidungsträger:innen vertrauen müssen. Die eigene Hilf- und Ratlosigkeit verstärkt dabei die Spirale aus Angst und Resignation. Was jedoch hoffnungsvoll stimmt, sind Energien aus der Gesellschaft, die in Krisenzeiten Initiative ergreifen, um in Not geratene Menschen zu unterstützen. Wie die Sternchen an der Zimmerwand glänzen diese Energien aus der Düsternis und schenken Optimismus und das Vertrauen in bessere Zeiten.

Stephan Köperl

© VG Bildkunst, Bonn 2021

Stephan kommt in die Hölle, 2021

Gerade des Schreibens fähig, prognostiziert der Bruder des Künstlers ihm, in die Hölle zu kommen.

Sylvia Winkler

© VG Bildkunst, Bonn 2021

Statistanz, 2021

Ein Foto aus der Serie Tanztee (2012-2015) der Künstlerin Andrea Grützner hat Sylvia Winkler berührt: Ausschnitthaft sind zwei ältere Frauen in bunt gemusterten Kleidern zu sehen, eng umschlungen beim Paartanz. Aspekte des Alterns, Partnerverlusts und der Einsamkeit verbinden sich mit Freundschaft, Vertrautheit und Lebenslust. Und was sagt die Statistik?

Thomas Ulm

Infinitiv, 2021

Trotz der Prognosen von Expert:innen, die beratend für die Politik tätig sind, arbeiten Politiker:innen selbst gerne mit Versprechen. Die Währung beider ist vermeintlich das tatsächliche Eintreffen in der Zukunft. Ihr großer Unterschied ist jedoch die kategorisch positive Ausrichtung des Versprechens. Mit einer ambitionierten grammatikalischen Konstruktion verweist der Bundesgesundheitsminister im Mai 2021 auf etwas, das in einer ungewissen Zukunft abgeschlossen sein wird. Diese Formulierung im Futur II wird in der Arbeit von Thomas Ulm in vier Infinitive transformiert. Dabei repräsentiert der Infinitiv die Bedeutung des Unbestimmten: eine hinsichtlich Zeit, Subjekt und Objekt fehlende, nicht vorbestimmte Festlegung, die dazu einlädt, jegliche Vielfalt an möglichen Bezügen zu reflektieren und zu gestalten.

Tim Stefan Heger

ohne Titel (Frosch eine Treppe hinaufsteigend), 2021

Es ist ein sehr alter Wunsch der Menschheit, verlässliche Vorhersagen der Zukunft treffen zu können. Doch welchen Einfluss hat dabei die Erwartung auf das Handeln? Wie beeinflusst das Handeln die Entwicklung von Gegenwart und Zukunft? Wirkt sich der Flügelschlag des Falters auf die Zukunft aus?

Tobias Dusche

ORDNUNG DER DINGE (Arbeitstitel), 2021

Um die durch den anhaltenden Ausnahmezustand sowie zahlreiche Klimanotstände dramatisch verschärften sozialen Konflikte zu überwinden, wird die Umwandlung des Stadtgebiets in eine rurale Zone vorangetrieben. Die Hänge werden terrassiert, um Reisanbau zu ermöglichen. Das komplizierte Bewässerungssystem, das allen Feldern und allen Lagen die gleiche Wassermenge garantiert, erzwingt eine tiefgreifende Umgestaltung der materiellen und sozialen Verhältnisse.

U!!i Berg

Kann nicht nichts sinnlos sein?, 2021

Auch das, worin wir keinen Sinn erkennen, kann durchaus einen Sinn enthalten. U!!i Berg sucht immer wieder den Sinn im Unsinn oder Nonsense im Sinn, nicht nur in der Kunst wie bei Dada, sondern auch im Alltag. So können wir glauben zu verstehen und Botschaften zu erkennen, wo eine außergewöhnliche Wortschöpfung, ein besonderer Einfall oder kluger Witz uns erstaunen. Traumdeutungen halfen und helfen – nicht erst seit Sigmund Freud – bei der Lebensorientierung, in Krisen und bei kranker Psyche. Oder ist es allein der Glaube an die Traumdeutung, der hilft? Hier zeigt sich vielleicht vorsichtig, warum der Mensch auf Fake-News hereinfällt oder der Vorstellung eines Götterhimmels anhängt. Und gleichzeitig beginnen wir Kassandras Deutungen und unsere heutigen Prognosen zu hinterfragen…

Uwe Schäfer

© VG Bildkunst, Bonn 2021

we did it wrong, 2021

Valentin Mackh

ohne Titel, 2021

Eine Figuration verschiedenster Möglichkeiten zu einem gegebenen Zeitpunkt lässt eine Art Fabelwesen entstehen, das gleichzeitig in verschiedene Richtungen agiert und simultan unterschiedliche Bewegungen suggeriert.

Wolfgang Knauss

Schöner Schein, 2021

Die Arbeit Schöner Schein lenkt den Blick auf achtlos weggeworfenes Verpackungsmaterial in geschichtetem, gefaltetem, geknittertem, gerissenem Zustand, auf reliefhafte Fragmente der Zivilisations- und Konsumgesellschaft. Die gefundenen Gegenstände zeigen ihr erstaunliches ästhetisches Potenzial und erzählen Geschichten des Überflusses und der unglaublichen Abfallberge. Die Augen der Betrachter:innen werden durch die fotografische Inszenierung ganz nah an das Objekt herangeführt. Doch wie ist die Distanz und Gleichgültigkeit von Regierungen und Gesellschaft zu ändern?

Yvonne P. Doderer

EXTINCTION, 2021

Bereits heute sind Lebewesen, insbesondere Pflanzen und Tiere, vom Aussterben bedroht (Stichwort: mass extinction). In Zukunft werden sich diese Prozesse noch verstärken. Damit bricht zunehmend auch die Lebensgrundlage für viele Menschen weg. Auf diese Sterblichkeit der Menschen, insbesondere aber auch auf die ihr zugrundeliegenden monetär-kapitalistischen Ursachen verweist Yvonne P. Doderers Plakat.

Yvonne Schenk

Verbrannte Erde I, 2021

Im Zyklus Verbrannte Erde – auf zu den Sternen verbinden sich die Themen Klimapolitik, Intuition, Mahnen und utopisches Denken miteinander.

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