Was ist heute für ein Tag, Mr. Locke?

Videogespräche und virtuelle Atelierbesuche mit den
iranischen Künstler:innen
Bita Fayyazi, Behnam Kamrani, Newsha Tavakolian, Negar Tahsili
Online und vor Ort
Kuratiert von Negar Tahsili
Moderation: Iris Dressler und Negar Tahsili
Anmeldung + Zoomlink unter: zentraleremove-this@remove-thiswkv-stuttgart.de
Sprache: Englisch

Der Württembergische Kunstverein hat vier zeitgenössische iranische Künstler:innen dazu eigeladen, in Form von Videos die Geschichten hinter ihren Werken zu erzählen und Einblicke in ihre unterschiedlichen Praktiken zu geben. Kuratorin des Projektes ist Negar Tahsili.

Am Samstag, den 9. Oktober ab 18 Uhr werden die Videos der Gespräche im Württembergischen Kunstverein sowohl vor Ort als auch über Zoom erstmals vorgestellt. Im Anschluss stehen die Künstler:innen online für Gespräche  zur Verfügung.

Vor fast einem Jahr erhielt Todd Meany, ein Nachrichtensprecher in Cleveland, Ohio, einen Anruf von seinem Produzenten wegen eines ungewöhnlichen Problems, das durch die Coronavirus-Pandemie entstanden war. Es konnte sich einfach niemand daran erinnern, welcher Tag heute war. Was konnte die Redaktion einer lokalen Nachrichtensendung hiergegen tun? Sie konzipierten angehaucht im Stil der siebziger Jahre einer Game-Show-Musik eine Morgensendung: „Welcher Tag ist heute?“

Während wir alle zuhause blieben – durch die Coronavirus-Pandemie aus dem gewohnten Lebensrhythmus gerissen – war es ein weit verbreitetes Gefühl, die Zeit aus den Augen zu verlieren. Ich dachte während der Lockdowns darüber nach, was John Locke, der „Vater des Liberalismus“, über „Freiheit“ schrieb. Er nannte das Beispiel von einem Gefangenen, der nicht weiß, dass er im Gefängnis sitzt. Es stellt sich folgende Frage: Wenn der Gefangene keinen Versuch unternimmt, den verschlossenen Raum zu verlassen, und alles tun kann, was er oder sie jemals tun wollte, ohne daran gehindert zu werden, kann man dann wirklich sagen, dass der Gefangene ein Gefangener ist? Können wir uns, während die Pandemie die Welt als Geisel hält, als frei betrachten, wenn wir gezwungen sind, uns selbst zu isolieren? Welche Auswirkungen hat die soziale Isolation auf das Gehirn? Was passiert, wenn kreative Menschen in die Isolation gezwungen werden? Unter Umständen müssen Künstler:innen ihre Arbeitsweise anpassen, um weiterhin Kunst machen zu können. Je nach Situation kann eine Zeit der Einsamkeit entweder willkommen oder ungebeten sein.

Um zu erforschen, wie es möglich ist, in einer solchen Zeit kreativ zu arbeiten, habe ich iranische Künstler:innen eingeladen, ihre Umgebung zu filmen, virtuelle Atelierbesuche zu machen und mit ihnen Künstler:innengespräche geführt. Aus der Zusammenarbeit resultieren vier Online-Künstler:innengespräche, jedes ein eigenes Kunstwerk, dass die Ateliebesucher:innen in die kreative Welt der Künstler:innen eintauchen lässt.
– Nagar Tashili


Bita Fayyazi
Bita Fayyazi (geb. 1962) ist eine Künstlerin und Pionierin im Bereich öffentlicher Kunst im Iran. Sie ist für ihre theatralischen, großformatigen Werke bekannt und interessiert sich besonders für Kollaborationsprojekte sowie für die Entwicklung und Umsetzung einer Idee oder eines Themas. Sie hat ihre Werke an verschiedenen Orten ausgestellt, darunter im Nikolaj Contemporary Art Center, Kopenhagen, das Barbican Centre, London, auf der 51. Internationale Biennale von Venedig, im Museum für Neue Kunst, Freiburg im Breisgau, und auf der 9. Keramik Biennale in Südkorea. Ihre Kunstwerke sind in vielen international renommierten Sammlungen vertreten. Fayyazi veröffentlichte 2017 ein Buch mit dem Titel Four Years Four Projects (Vier Jahre, vier Projekte) und iranomutomorphosis.net, ein Auftragswerk von Luciano Benetton, das Fabrica Publicatins produziert.

Behnam Kamrani
Behnam Kamrani (geb. 1968) ist ein iranischer multidisziplinärer Künstler. Für seine Videokunst, Installationen und digitalen Gemälde verwendet er visuelle Elemente der islamischen Kunst und traditionelle persische Kunstwerke. Kamrani hat einen Doktortitel in Kunstforschung. Er ist Kunstkritiker, sitzt in der Jury zahlreicher Kunstpreise und ist Fakultätsmitglied an der Teheraner Kunstuniversität. Er hat verschiedene Ausstellungen in Galerien in Teheran kuratiert und war Mitkurator der Shanghai Biennale. Kamrani hatte vierzehn Einzel- und mehr als 300 Gruppenausstellungen im Iran und in anderen Ländern wie Italien, Frankreich, Japan, China, den Vereinigten Staaten, England und den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Newsha Tavakolian
Newsha Tavakolian (geb. 1981) ist Fotografin und Mitglied von Magnum. Im Alter von sechzehn Jahren begann sie für die iranische Presse zu arbeiten und berichtete über die Kriege im Irak und soziale Themen in ihrem Heimatland Iran. Im Laufe der Jahre verlagerte sich ihr Schwerpunkt auf das Fotografieren. Tavakolian hat Guerillakämpferinnen im Irak, in Syrien und Kolumbien, verbotene iranische Sängerinnen und das Leben von Menschen, die unter Sanktionen leiden, abgelichtet. Tavakolian war die fünfte Preisträgerin des Carmignac Gestion Photojournalism Award 2014 und die Hauptpreisträgerin des Prince Claus Award 2015. Tavakolians Arbeiten finden sich unter anderem in den Privatsammlungen internationaler Institutionen, darunter im Victoria & Albert Museum, Los Angeles County Museum of Art (LACMA), British Museum, Sackler Gallery und im Boston Museum of Fine Arts.
 
Negar Tahsili
Negar Tahsili (geb. 1980) ist eine Erfinderin, Filmemacherin und multidisziplinäre Künstlerin. Sie führt Regie bei Filmen und arbeitet an interdisziplinären Ausstellungsprojekten auf der ganzen Welt. Ihre jüngsten Kunstprojekte basieren auf dem Konzept des Klonens und der Verdrängung. Eines ihrer jüngsten Projekte bestand darin, das Gabès Cinema Fen zu re-kuratieren und nach Stuttgart zu verlagern. Neben ihrer Tätigkeit als Kuratorin hatte sie zahlreiche Ausstellungen auf der ganzen Welt. Ihre Dokumentarfilme über Kultur und Kunst wurden auf internationalen Filmfestivals gezeigt und von internationalen Sendern wie arte ausgestrahlt.