OT: Die Sammlung (Cage)
OT: Die Sammlung (Cage)
Tableau (Cage)
OT: Die Sammlung (Goya, Broodthaers)
OT: Die Sammlung (Goya)
OT: Die Sammlung (Goya)
OT: Die Sammlung (Broodthaers)
OT: Die Sammlung (Roth)
OT: Die Sammlung (Roth)

On Translation: Die Sammlung, 2006

Der Kunstbetrieb und insbesondere das Museum sind von Muntadas in zahlreichen Projekten auf ihre sichtbaren und unsichtbaren Strukturen, Regularien und Diskurse hin untersucht worden. „On Translation: Die Sammlung“ setzt dabei an den Standardelementen der Museumspräsentation an. Zugleich geht es um bestimmte Kunstformate, die der Ideologie des Museums widerstreben: um Grafiken, Editionen, Multiples, Objekte etc., die nicht als Unikate, sondern in mehreren, zum Teil hohen Auflagen existieren.

Grundidee des Projekts ist es, auf der Basis lokaler Kunstsammlungen eine Auswahl unterschiedlicher Auflagenwerke zu definieren und diese gemeinsam mit ihren Pendants aus anderen Museen zu präsentieren. Wesentlich ist dabei, dass die verschiedenen Auflagen jeweils samt ihres Sockels, Rahmens, ihrer Beschilderung etc. entliehen werden.

„On Translation: Die Sammlung“ zeigte vier Exemplare des in einer Auflage von 125 erschienenen Multiples Not Wanting to Say Anything about Marcel von John Cage sowie drei der insgesamt 250 Karnickelköttelkarnickel von Dieter Roth. Goyas Grafikserie Los Desastres de la Guerra (Blatt 66 bis 75 und in gebundener Form). Marcel Broodthaers’ Fotoarbeit Ein Eisenbahnüberfall und Timm Ulrichs’ Siebdruck bild waren ebenfalls in jeweils drei bzw. vier Auflagen zu sehen.

Mit der Zusammenführung „identischer“ Werke durchbricht Muntadas die „Aura“ des Unikats, an der das Museum in der Regel durch die Vereinzelung von Auflagenwerken festhält und somit den multiplen Charakter dieser Werke unterschlägt. Zugleich wird erst durch das Nebeneinander des „Gleichen“ evident, wie sich die Form der Präsentation in die Bedeutung und Wahrnehmung von Kunst einschreibt. Das Karnickelköttelkarnickel beispielsweise tritt auf weißem Sockel unter einer Plexiglashaube wesentlich stärker als ein autonomes Einzelobjekt in Erscheinung, als dies der Fall bei seiner Präsentation in einer Schrankvitrine ist, wo es mit anderen Objekten zu sehen ist. Unterschiedliche Rahmungen und Passepartouts verstärken bei den Desastres de La Guerra mal den seriellen Charakter der Arbeit und mal die Wertigkeit jedes einzelnen Blattes. Sockel, Rahmen, Vitrine, Beleuchtung, Hängung oder das räumliche Arrangement sind also keine neutralen, sondern interpretierende und konstitutive Instrumentarien des „Zu-sehen-Gebens“ von Kunst. In dieses „Zu-sehen-Geben“ mischen sich verschiedenste Diskurse ein: die des Künstlers, der Institution, des Kurators, Architekten, Designers, Restaurators etc.

Die aus insgesamt acht Objekten bestehende Arbeit Not Wanting to Say Anything about Marcel von John Cage wurde von manchen Museen vollständig erworben, während andere nur eines davon besitzen. Die Kunsthalle Bremen wiederum hat zwar alle acht Objekte angekauft, aufgrund der architektonischen Bedingungen vor Ort zeigt sie jedoch nur sechs davon. Diejenigen Museen, die das Werk unvollständig präsentieren, weisen in der Beschilderung der Arbeit nicht auf diesen Umstand hin. Generell ist zudem zu beobachten, dass Auflagenobjekte in Museen nur selten als solche ausgewiesen werden, das heißt, sie werden bis hin zur Beschilderung als Unikate inszeniert.

Jedes Einzelobjekt aus Cages Arbeit besteht aus acht bedruckten Plexiglasscheiben, die hintereinander auf einer Holzplatte befestig sind. Das Museum am Ostwall, das, wie die Staatsgalerie Stuttgart, nur ein einzelnes Objekt der Edition besitzt, zeigt dieses in einer Glasvitrine und hat zudem direkt auf dem Objekt einen Plexiglasdeckel montiert, der im Katalog als Bestandteil der Arbeit ausgewiesen wird.

Selbst anhand des Siebdrucks von Timm Ulrichs, dessen komplette Auflage inklusive des jeweils identischen Rahmens produziert worden ist, ließen sich noch unterschiedliche Präsentationspolitiken nachvollziehen: So gibt die Beschilderung des Werkes im Museum Ritter auch die Nummer des Audioguides an.

Neben der Gegenüberstellung der diversen Präsentationsformen von Auflagenwerken, reflektierte „On Translation: Die Sammlung“ auch jene institutionellen Regelwerke, die zwar außerhalb des Ausstellungsraums verhandelt werden, jedoch auf diesen einwirken: Leihverträge, Standards der Inventarisierung und Beschreibung, Versicherungswerte, Ankaufsdaten etc. Das heißt, für jedes Auflageobjekt wurde eine Art Synopse produziert, die diverse Daten, soweit sie recherchierbar waren und zur Veröffentlichung freigegeben wurden, auflistete. Sie zeigten, dass die verschiedenen Museen ihre Werke nicht nur in unterschiedlicher Form präsentieren, sondern auch bei der Registrierung, Titelung, Beschreibung oder Konservierung differieren.

„On Translation: Die Sammlung“ verweist auf eine Reihe von „Protokollen“, die dem Museum inhärent sind. Zugleich werden die „Protokolle“ des Museums auf vielerlei Ebenen durchbrochen. So begegnen die Besucher den Werken einer Reihe renommierter Künstler, die zugleich als das Projekt eines anderen auftreten. Jedes Werk wird dabei mit widersprüchlichen Lesarten konfrontiert – und dies nicht nur, weil es zwischen verschiedenen Autorenschaften oszilliert, sondern auch, weil die Perspektive auf das autonome Werk zu dessen vermeintlich sekundären Präsentationselementen hin verrückt wurde. Zugleich publizierte die Ausstellung Informationen, die das Museum in der Regel aus der öffentlichen Präsentation entkoppelt. „On Translation: Die Sammlung“ ist überdies ein Projekt, das von seiner Konzeption her zwar wiederholbar, in seiner Umsetzung jedoch zutiefst unberechenbar und nicht von Dauer ist.

(Iris Dressler, Auszug, Katalog)

deueng
suchenImpressum
instagramfacebooktwitteryoutube
Schlossplatz 2
D-70173 Stuttgart
Fon: +49 (0)711 - 22 33 70
Fax: +49 (0)711-22 33 791
zentrale@wkv-stuttgart.de
Württembergischer Kunstverein Stuttgart