Alenka Gregoric

Ausstellungsansichten

Vladimir Nikolić
Irwin

Re-Definition

IRWIN
Šejla Kamerić
Vladimir Nikolić
Marjetica Potrč
Tobias Putrih
Mladen Stilinović
Milica Tomić

Alenka Gregorič versammelt in der von ihr kuratierten Sektion künstlerische Positionen, die sich auf die sehr spezifische historische und politische Realität einer Region beziehen. Anhand von Videos, Installationen, grafischen Arbeiten und Objekten von Künstlern aus Ex-Jugoslawien diskutiert ihr Beitrag die komplexen Bezüge zwischen zeitgenössischer Kunst und einem radikalen politischen und gesellschaftlichen Wandel nach 1989. Dabei gerät die Auseinandersetzung mit der politischen und künstlerischen Sprache der sozialistischen Vergangenheit ebenso ins Blickfeld, wie die Frage nach dem Verhältnis von Massenmedien und einem wachsenden Neoliberalismus. Nicht zuletzt berührt die Ausstellung hiermit auch die Frage nach der Positionierung osteuropäischer Künstler auf einem westlich dominierten Kunstmarkt.

Werke und Projekte in der Ausstellung


IRWIN

Namepickers, 1998
In Kooperation mit Marina Abramović
Foto: Bojan Brecelj

Šejla Kamerić
Bosnian Girl, 2003
S/W-Fotografie, Dimensionen variabel

Graffito eines unbekannten niederländischen Soldaten auf der Wand eines Armeestützpunktes in Potocri, Srebrenica, 1994/95. Truppen der Königlichen Niederländischen Armee, als Teil der UN Schutztruppen in Bosnien und Herzegovina stationiert, waren verantwortlich für den Schutz der Sicherheitszone Srebenica.
Foto: Tarik Samarah

Vladimir Nikolić
Death Anniversary, 2004
Videoinstallation, 4 Min.

Nikolićs neue Arbeit wendet sich der Frage nach der Tradition und dem künstlerischen Erbe in der modernen Kunst zu. Das Video ist das Ergebnis einer Reise des Künstlers in die ländlichen Regionen von Montenegro. Hier sucht er einen Sänger, der bereit ist, an Marcel Duchamps Grab in Rouen (Frankreich) ein Klagelied auf den berühmten Konzeptkünstler zu singen. In drei Dörfern wählt er Sänger aus, um ihnen zunächst die Bedeutung von Duchamps Werk für die Kunst des 20. Jahrhunderts zu erläutern. Eine Sängerin, deren Lied am präzisesten die Auffassung des Künstlers über Duchamp reflektiert, fährt schließlich mit ihm nach Frankreich. Das Klagelied, das sie am Grab vorträgt, ist in Zusammenarbeit mit dem Künstler entstanden. Ausgehend von einer lokalen künstlerischen Tradition, die vom Aussterben bedroht ist, ironisiert Nikolićs Video das Selbstverständnis moderner Kunst, die einst ihre Unabhängigkeit von Geschichte und Tradition proklamierte. Sie ist nun selbst Teil dieser Tradition geworden.
Text: Jee-sook Beck

Marjetica Potrč
Temporary Territories, 2003
Tusche auf Papier
Courtesy: Max Protetch Gallery, New York

Stellen Sie sich Partikel als Punkte vor, die sich im Raum bewegen, aber immer ihre Individualität behalten. Wenn ich reise, schätze ich meine Lokalität – meine Stasis – mehr denn je. Je mehr ich reise, desto mehr finde ich ein Gleichgewicht zwischen der fremden Landschaft und den Orten meiner Imagination. Je mehr Instabilität und Unsicherheit um mich herum existiert, umso mehr schätze ich die Sicherheit meiner eigenen geistigen Welt. Können Parallelwelten in großer physischer Nähe zueinander existieren, aber mental Kilometer voneinander entfernt sein – wie es so offensichtlich bei den jüdischen Siedlungen im Westjordanland und den palästinensischen Dörfern der Fall ist? Ist eine kleine Utopie – eine, die nur mir als Einzelperson gehört –, eine glaubhafte Utopie? Peter Handke schrieb einmal: „Wir leben von Illusionen. Ohne Illusionen würden wir niemals etwas tun.“ Ich stelle mir vor, dass der Geist glaubhafter ist als der physikalische Raum. Immerhin besitzt er die Fähigkeit, sich im Raum zu bewegen.
Text: Marjetica Potrč

Tobias Putrih
QR-rd (Studie zu Buckminster Fullers Cloud Nine-Projekt)
Installation, 2006

Fullers Entwurf zum Cloud Nine-Projekt zeigt die Schwarz-Weiß- Aufnahme eines von schneebedeckten Bergen umgebenen Sees. Über den Bergen schweben zwei mit mathematischer Präzision gezeichnete Kugeln. Die Bildunterschrift kommentiert:
„Die Kugelkonstruktionen von mindestens 0,6 Meilen Durchmesser stellen Luft-Städte dar, die wie Ballons, die man mit heißer Luft gefüllt hat, hoch über dem Erdboden schweben. Eine solche Stadt mit einem Durchmesser von einer Meile und mit einem Temperaturunterschied von nur einem Grad zwischen Innen und Außen könnte mitsamt ihren mehreren Tausend Bewohnern und der gesamten Infrastruktur über dem Erdboden schweben.“
Diese schwebenden Strukturen können nur Dank konstanter Bedingungen im Innern, etwa durch die rigide Kontrolle von Gewicht, Stoffwechsel und Fortpflanzung, in der Luft gehalten werden. Mir fällt es daher schwer, Fullers Cloud Nine-Projekt anders als im Sinne der ultimativen totalitären Organisationsform zu denken: Individuelle Körper haben hier aufgehört zu existieren. Die Stadt wird zu einem einzigen sozialen Organismus. Das utopische Moment des Amerikanischen Traums findet damit seinen Abschluss in der sinnlosen, farblosen Fiktion der schwebenden Stadt.
Text: Tobias Putrih

Mladen Stilinović
Parole, 1973-1983
Installation mit 9 Malereien (Acryl auf Karton, verschiedene Maße)

Worte spielen in Mladen Stilinovićs Kunst eine zentrale Rolle. Seine Arbeiten sind selten rein „visuell“, und selbst Werke ohne geschriebenen Text referieren oftmals auf linguistische Strukturen: Entweder basiert ihre Logik auf sprachlichen Mustern, oder sie sind deren visuelle Repräsentation – wie z.B. Arbeiten, die auf Wortspielen basieren. Zugleich verweisen Stilinovićs Werke darauf, dass die materielle Repräsentation eines Textes – wie etwa die Typographie, die Farbe der Schrift, ihr materieller Träger, der Kontext, in dem das geschriebene Wort steht, etc. – seine Bedeutung massiv beeinflusst.
Text: Igor Zabel

Milica Tomić
I Am Milica Tomić, 1999
Videoinstallation, 10 Min.

Tomić beschäftigt sich mit der Frage nach ihrer Identität als „Serbin“ und „orthodoxe Christin“. Diese politisch und kollektiv verordnete Identität kann sie nur als eine problematische und gespaltene begreifen. In einer paradoxen Rhetorik, die Identität zugleich behauptet und leugnet, widersetzt sie sich der Forderung, Teil eines „gesunden Volkskörpers“ zu sein, um damit das Trauma offenzulegen, das dieser Identitätskonstruktion zu Grunde liegt.

 

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