Raqs Media Collective

Nancy Adajania
Solomon Benjamin
CyberMohalla Ensemble
Ruchir Joshi
Sanjay Kak
Prabhat Kumar / Ravikant Sharma
Satyajit Pande
Sarai Media Lab
Sarai.txt Broadsheet Collective

“Was ist Delhi?“, frage ich mich.
Ich antworte, „Die Welt ist ein Körper und Delhi seine Seele.“
(Mirza Ghalib)

Städte sind Baustellen. Bauen endet nie. Arbeit ist im Gange. „Building Sight” – Sehen erzeugen – ist eine Reflexion darüber, was es heißt, von unserem Standort Delhi aus einen Dialog mit dem „Körper der Welt“ und mit seiner „Seele“ zu führen. Die Stadt erwischt dich wie ein Strudel. Die Stadt schwillt an und wird fremd. Räumung folgt auf Räumung. Eine Stadt gibt dir Halt im Taumel durch die täglichen Ungewissheiten. Dennoch: man braucht Zeit für Pausen, zum Atemholen, für die Gestaltung von Räumen und Korridoren, welche die Stadt bewohnbar machen. Building Sight ist eine Skizze, wie das Nachdenken über eine Stadt aussehen könnte. Zugleich ist es ein vorläufiger Überblick über Gespräche, die wir mit Freunden und Kollegen geführt haben: mit Architekten, Urbanisten, Filmemachern, Forschern und Kulturschaffenden, die uns im Nachdenken darüber, was es bedeutet, in Städten zu leben, unterstützt haben. Aus unserer Sicht nimmt ihre Arbeit das vorweg, was die Antwort zeitgenössischer Kunstpraxis auf die südasiatische Stadt sein könnte.

Werke und Projekte in der Ausstellung

Nancy Adajania
In Aladdin’s Cave, 2006
Installation (Digitaldrucke,Texte, Dias, Projektion)

In Aladdin’s Cave ist eine Archiv-Installation, die auf Nancy Adajanias Recherchen zur populären Digitalfotografie basiert. Fotografie ist ein Medium, das zwischen der Verpflichtung, Realität abzubilden, und der Sehnsucht nach dem Pittoresken und Fantastischen angesiedelt ist. In der Tradition südasiatischer Straßenfotostudios ist es üblich, dass die von den Kunden angefertigten Porträts digital manipuliert werden. Die preiswerten und überall verfügbaren digitalen Bildtechnologien machen dies immer einfacher. Die Tür des Fotostudios an der Ecke wird so zum Durchgang in eine seltsame neue Welt, die jedem zugänglich ist.
Nancy Adajania ist Kuratorin und Kritikerin und lebt in Mumbai.

Solomon Benjamin
City Guide I, 2005
Vortragsperformance/Video, 17 Min.

City Guide I ist eine „Theorie-Performance“, die auf Powerpoint Präsentationen, Forschungsaufzeichnungen und einem Live-Vortrag basiert. Sie erzeugt ein dichtes Netz an Assoziationen und Informationen über die Transformationsprozesse in den Städten des Südens. Benjamin verwendet Karten, Zeichnungen und Fotografien, um eine faszinierende Geschichte vom Kampf zwischen Stadtplanern und einer „Hydra“ aus informellen und improvisierten Formen des Urbanen zu erzählen. Für Benjamin ist dieser Wettstreit eine Realität, welche die Konturen der Stadtentwicklung zahlreicher neuer und wachsender Städte prägt.
Solomon Benjamin ist Urbanist und Architekt. Er lebt und arbeitet in Bangalore.

Broadsheet Collective
Sarai.TXT 3.1: City Games, 2006
Zeitschrift
Bildquellen: Mahendra Camtech und Fotofast, Mumbai.

City Games ist eine Sonderausgabe von Sarai.txt, einer experimentellen Zeitschrift, die Forschungsarbeiten zu urbanen Realitäten dokumentiert und interpretiert. City Games betrachtet die materiellen und immateriellen Oberflächen der Stadt nicht als stabile Struktur, sondern als Orte, die herausfordern und Fragen aufwerfen. In der Ausgabe geht es darum, die urbanen Ordnungen und Routinen umzukehren, indem öffentliche Räume über eine Poetik des „Innen“ verhandelt werden.
Das Broadsheet Collective und Mrityunjoy Chatterjee (Design) arbeiten am Sarai/CSDS, Delhi.

CyberMohalla Ensemble
A Wall and a Sofa, 2005
Video, 60 Min.

Das CyberMohalla Ensemble, ein offener Zusammenschluss von jungen Medienschaffenden aus dem Arbeitermilieu, praktiziert seit fünf Jahren Interventionen im öffentlichen Raum, meist an informellen Treffpunkten. Ihre Videoarbeiten werden zudem in lokalen Kabelfernsehkanälen gezeigt. Manchmal kann eine schmale Gasse zu einem Wohnzimmer werden. Die Bewohner dicht bevölkerter Städte schaffen Inseln der Geselligkeit, wann und wo immer sie können. Eine gegen die Wand gelehnte Bank kann zum Sofa werden: eine Einladung, für einen Moment Platz zu nehmen, zu plaudern und an einem geschäftigen Tag einfach die Zeit verstreichen zu lassen.
CyberMohalla ist ein kollaboratives Projekt, das vom Sarai CSDS und Ankur initiiert wurde.

Ruchir Joshi
Gurgaon Giraffe, 2006
Video, 3:16 Min.
Kamera: Ranjan Palit; Schnitt: Sara Kolster, Iram Ghufran

Ein Bagger in Gurgaon – einem Vorort von Delhi, der durch Fabriken, die „New Economy“ und teure Grundstücke geprägt ist. Das Video interpretiert seine Bewegung als einen langsamen, hypnotischen Tanz der Zerstörung und übersetzt den Prozess der Erzeugung urbaner Räume in eine Bildsprache, die gleichermaßen bedrohlich wie poetisch ist.
Ruchir Joshi ist Filmemacher und Autor. Er lebt und arbeitet in Delhi, Kalkutta und London.

Sanjay Kak
The Dispute at the Dam Site, 2006
Video, 5:30 Min., Ton
Kamera: Sanjay Kak; Ton: Samina Mishra

Das Video greift eine Sequenz aus Sanjay Kaks Doku-mentarfilm Words on Water (2002) auf, der sich einer seit 20 Jahren existierenden Bürgerinitiative widmet, die gegen den Bau von Staudämmen im Narmada-Tal in Zentralindien opponiert. Vor den Kulissen der Kraterlandschaft eines geplanten Damms fokussiert der Ausschnitt die Konfrontation zwischen den Anwohnern und Repräsentanten des Staatsapparates. Dieser beharrt darauf, das geplante Bauvorhaben durchzusetzen, obwohl dies mit der Enteignung und Vertreibung der Bewohner einhergeht.
Sanjay Kak ist Filmemacher. Er lebt und arbeitet in Delhi.

Satyajit Pande
Manus, 2005
Video, 7 Min.
Kamera: Setu/Satyajit Pande; Schnitt: Shan Mohammed; Dank an: Amit Choudhury, Surabhi Sharma, Kavita Pai, Sunil Shanbag, Amitabh Kumar

„Manus” ist die anatomische Bezeichnung für die Hand und das Handgelenk des Menschen. Im umgangsprachlichen Hindi und Marathi bedeutet „manus” außerdem „menschlich“ bzw. „Mensch”. Mumbais Gleisnetz transportiert täglich Millionen von Pendlern. Es ist Sinnbild der eingeschränkten Kontrolle, welche die Bewohner über ihre Stadt haben. Hände in Zügen bringen Konstellationen zufälliger Intimität hervor, sprechen eine Sprache stummer Gesten. Der routinemäßige Händedruck dient als Halt in der Ungewissheit des Lebens in einer unüberschaubaren Metropole.
Satyajit Pande ist Kameramann und Fotograf. Er lebt und arbeitet in Mumbai.

Ravikant Sharma / Prabhat Kumar Jha
Autopoesis, 2005
Video, 8 Min.

Diese Sammlung gefundener Lyrik, die aus Autorikschas in Delhi stammt, eröffnet einen neuen Zugang zu den imaginären Dimensionen der Stadt. Die Straßen von Delhi sind wie Anthologien einer mobilen Dichtung. Autorikscha-Taxis – jene dreirädrigen Motorroller, die in Delhi das dominierende öffentliche Verkehrsmittel darstellen – dienen als Medium für prägnante Zweizeiler. Sie decken das gesamte Spektrum zwischen lakonischer Ironie, surrealem Humor, unterschwelligem Spott, Wut und romantischem Überschwang ab. Autogedichte, flüchtig im Vorüberfahren gelesen, werden wahrgenommen als präzise, persönliche Anmerkungen zum epischen Text einer riesigen Metropole.
Ravikant ist Historiker und Autor am Sarai CSDS. Prabhat Kumar ist Pädagoge und Aktivist. Er arbeitet für die Ankur Society for Alternatives in Education. Beide leben in Delhi.

Sarai Media Lab
Ectropy Index, 2005
Interaktives Hypertext „Infoface“, Projektion und Computer

Ectropy Index ist die dritte aus einer Reihe interaktiver „Infoface-Arbeiten“, die das Sarai Media Lab in den letzten fünf Jahren entwickelt hat. Wie bereits Global Village Health Manual 1.0 und Network of No_des entwickelt die Arbeit ihre Argumentation entlang von Forschungsaufzeichnungen und kulturellen Fundstücken. „Ektropie“ bezeichnet im Allgemeinen das Zunehmen von Organisation. Ein „Ektropie-Index“ ist dementsprechend das Maß für die Zunahme von Information oder Ordnung innerhalb eines Systems. Identitätsnachweis und -diebstahl, Fingerabdruck und Fälschung, Überwachung und Unschärfe, Datensammlung und Datenverlust scheinen signifikante Charakteristika unserer Gegenwart zu sein. Ectropy-Index versucht eine Spannung zwischen entropischen und ektropischen Impulsen zu erzeugen, die permanent die Ordnung und Struktur eines Systems in Frage stellen.
Das Sarai Media Lab arbeitet am Sarai/CSDS in Delhi.