Werke / KünstlerInnen

Corinne Mae Botz
Corinne Mae Botz
Corinne Mae Botz
Sorel Cohen
Sorel Cohen
Sorel Cohen
Martin Dammann
Martin Dammann
Charles Gaines
Jana Gunstheimer
Susan Hiller
Susan Hiller
Joachim Koester
Joshua Mosley
Pablo Pijnappel
Pablo Pijnappel
Tim Roda
Tim Roda
Kevin Schmidt

Corinne May Botz (*1977 in Ridgewood, lebt in New York)
The Nutshell Studies of Unexplained Death, 2004
Serie von 19 Digitaldrucken (Auswahl), Größen variabel
www.bellwethergallery.com/current_01.cfm

Die Fotografien dokumentieren eine Sammlung von akribisch angefertigten Tatort-Modellen, die in den 1940er Jahren von der US-Amerikanerin Frances Glessner Lee hergestellt wurden. Die an Puppenhäuser erinnernden Guckkästen verdichten jeweils die Szenarien verschiedener ungelöster Kriminalfälle. Lee nannte ihre insgesamt achtzehn Modelle, die sie für die Ausbildung von Polizeibeamten produzierte, „Nutshell Studies of Unexplained Death“ (Miniaturstudien ungeklärter Todesfälle). Sie entstanden auf der Basis von Polizeiberichten, wobei die detailreichen Ausstattungen Lees Phantasie entsprangen. Sie kleidete die Gewaltszenarien meist in kleinbürgerliche Interieurs ein. Es handelt sich bei diesen standardisierten und idealisierten Tatorten also keineswegs um neutrale Darstellungen, sondern um Repräsentationen eines bestimmten sozialen Milieus, in dem Lee das Verbrechen ansiedelt. Corinne May Botz hat Lees Interpretationen des Verbrechens in Hunderten Fotografien ein weiteres Mal interpretiert. Ihre Fotografien zeigen häufig Ausschnitte und Details der Mini-Tatorte. Ihre Fotografien veröffentlichte sie gemeinsam mit einem Essay über Frances Glessner Lee 2004 in Form einer Publikation.

Sorel Cohen (*1936 in Montreal, lebt in Montreal)
Divans Dolorosa, 2008
Serie mit 14 Fotografien auf gesandstrahltem Glas, je 50,8 x 40,6 cm
www.galeriedonaldbrowne.com

Sorel Cohens Serie „Divans Dolorosa“ zeigt Fotografien, die die Künstlerin in den Besprechungszimmern von vierzehn verschiedenen PsychoanalytikerInnen aus Quebec (Kanada) aufgenommen hat. Der Fokus liegt dabei jeweils auf der Couch – jener Ikone der Freudschen „Redekur“. Die Zimmer und Couchen sind leer. Mal ist das Ambiente opulent, mal modernistisch schlicht. Jedem Foto ist ein Begriff zugewiesen, der ein Symptom beschreibt: „irrationale Angst“, „unterdrückte Erinnerungen“, „obsessive Fixierung“ etc. Referieren sie auf den abwesenden Patienten? Analysieren sie den Einrichtungsstil des Arztes? Die Begriffe sind auf Glas gesandstrahlt, so dass der Betrachter nur ihre Schatten wahrnimmt.

Martin Dammann (*1965 in Friedrichshafen, lebt in Berlin)
Soldier Studies, 2007
Serie mit 18 (von 24) Digitaldrucken, je ca. 70 x 45 cm
www.bthumm.de/www/artists/dammann/exhibitions.php
www.zkm.de/zwischenzweitoden/de/art/dam_txt.html

Martin Dammanns Arbeiten basieren auf einer umfangreichen Sammlung von Fotografien aus den beiden Weltkriegen. Die daraus resultierende Serie „Soldier Studies“ lenkt den Blick auf deutsche Soldaten des Zweiten Weltkriegs, die in verschiedene Szenarien des „cross-dressings“ involviert sind. Häufig werden dabei stereotype Situationen des biederen Ehelebens nachgespielt. Diese Zeugnisse sprechen weniger von einem homoerotischen oder transvestitischen Begehren, als vielmehr von einer Wirklichkeitsverdrängung, das heißt von der Projektion einer bürgerlichen Normalität inmitten des soldatischen Kriegsalltags.

Charles Gaines (*1944 in Charleston, lebt in Los Angeles)
Night Crimes, 1997
Serie mit vier Fotomontagen
vielmetter.com/artists/Gaines/charles_gaines.htm

Für seine Arbeit „Night Crimes“ recherchierte Charles Gaines in den Archiven der Los Angeles Times nach Bildern von Tatorten, Verbrechern, Zeugen und Hinterbliebenen. In den vier Fotomontagen kombiniert er Orte des Verbrechens mit Personen, die faktisch jedoch nicht in Beziehung zueinander stehen. Als weiteres Element fügt er eine Himmelskarte hinzu, die das Sternbild zum Zeitpunkt des Verbrechens wiedergibt – allerdings 50 Jahre später. Eine Bildlegende zeigt schließlich die Zeit und den Ort des Verbrechens sowie des zukünftigen Nachthimmels an. Die Beweiskraft der Fotografie und ihrer Lektüre wird auf die bloße Suggestionsmacht von Bildern zurückgeworfen. Das Sternbild als potentieller Begründungszusammenhang für das Verbrechen verschiebt die auf Kausalitätskonstruktionen beruhenden Wissenschaften ins Reich der Spekulation.

Jana Gunstheimer (*1974, lebt in Jena)
Stammsitz, Arbeitszimmer A. Krupp, 2005, Aquarell auf Papier, s/w, 300 x 350 cm
VH1/05, 2005, 9 Aquarelle, s/w, je 30 x 40 cm
63 Tage danach, 2005, Installation mit Aquarellen und Objekten
www.galerie-conrads.de
www.roemerapotheke.ch/kuenstler,jana_gunstheimer,13.html

Jana Gunstheimer, die Kunst und Ethnologie studierte, lotet in ihren Arbeiten – Ensembles aus schwarz-weißen Zeichnungen und Aquarellen, Architekturmodellen, Wandarbeiten, Objekten und Printmedien – auf kritisch-ironische Weise die Strukturen wissenschaftlicher Methoden aus. Die Basis ihrer Untersuchungen ist NOVA PORTA, eine ebenso fiktive wie aktive „Organisation zur Bewältigung von Risiken“, die unter anderem in einer Langzeitstudie die Verhaltensweisen von Personen ohne Arbeit (POAs) beobachtet. Die Konstruktion und Rekonstruktion der Forschungsergebnisse fallen dabei in eins. Dies betrifft auch das als work in progress entwickelte Projekt „Stammsitz“, das sich mit der Krupp-Dynastie und deren Domizil, die Villa Hügel in Essen, auseinandersetzt. Eine Gruppe Jugendlicher sei 2005 heimlich in diese eingedrungen und habe dort einige Veränderungen vorgenommen sowie mysteriöse Rituale durchgeführt. In verschiedenen Anordnungen trägt Gunstheimer das von ihr selbst produzierte Belegmaterial zu diesem Fall zusammen, inventarisiert und katalogisiert es. Fotografische und filmische Dokumentationsmedien werden dabei konsequent durch Zeichnungen und Malereien ersetzt.  Die angedeuteten Rahmenhandlungen bilden dabei weder eine kohärente Erzählung noch schlüssige Ergebnisse. Dennoch handelt es sich um kritische Analysen heutiger Lebensbedingungen.

Susan Hiller (*1942 in Tallahassee, lebt in London)
The Curiosities of Sigmund Freud, 2005
9 Iris Prints, je 76,2 x 50, 8 cm
www.susanhiller.org

„The Curiosities of Sigmund Freud“ basiert auf acht winzigen Glasdias, genannt „kuriose Miniaturen für das Mikroskop“, die aus dem Besitz der Familie Freud, vermutlich von Sigmund Freud selbst, stammen. Es handelt sich um Mikropunkte von Gemälde- und Fotografiecollagen, die mit einer an ein Mikroskop gekoppelten Kamera entstanden und erst sichtbar wurden, wenn man sie enorm vergrößerte. Zur Zeit Freuds stellte der Akt der schrittweisen Sichtbarmachung ein beliebtes Freizeitvergnügen dar, später wurden Mikropunkte im Bereich der Kryptologie angewandt. Aufgrund der groben technischen Qualität liefern die kuriosen Miniaturen aus dem Hause Freud jedoch nur sehr unklare Bilder. Susan Hiller hat aus diesen vergrößerte Abzüge hergestellt, teilweise koloriert und mit den Originaltiteln versehen. Die schattenhaften Bildmotive sind nur äußerst vage zu erkennen.
Das neunte Bild der Serie stammt nicht von den Miniaturdias, sondern zeigt die vergrößerte Passage aus einem Brief Freuds an seine Verlobte. Zusehen ist ein Tintenklecks, den Freud einkreiste und wie folgt kommentierte: "Hier ist mir die Feder aus der Hand gefallen und hat diese geheimen Zeichen geschrieben. Ich bitte Dich um Verzeihung und auch darum, dass Du dir gar nicht erst die Mühe einer Interpretation machst."

Joachim Koester (*1962 in Kopenhagen, lebt in New York)
The Magic Mirror of John Dee, 2005
Fotografie, ca. 70 x 90 cm
www.nicolaiwallner.com/artists/joachim/joachim.html

Das Foto zeigt die Spiegelfläche des „Magischen Spiegels“ von John Dee, einem der führenden Wissenschaftler des frühen 17. Jahrhunderts, der sich zugleich intensiven Experimenten mit dem Übernatürlichen hingab. Der magische Spiegel sowie weitere Objekte seiner okkulten Forschung sind heute im British Museum in London ausgestellt. Joachim Koester zeigt uns die zerkratzte schwarze Oberfläche des Spiegels, in der sich vage Lichtreflexionen abzeichnen. Ein Begleittext referiert auf den Wissenschaftler und sein Medium, den als Betrüger verurteilten Alchemisten Edward Kelley, sowie auf dessen über Spiegel und Kristallkugeln herbeigeführte Kommunikation mit Engeln. Dee leitete aus diesen Experimenten die Engelssprache „Henochisch“ ab. Der Wunsch, durch die Engel eine größere Klarheit über die Welt zu erlangen, wurde indes nicht erfüllt.
Das Foto wird zusammen mit einem Text von Joachim Koester präsentiert.

Joshua Mosley (*1974 in Dallas, lebt in Philadelphia)
dread, 2007
Mixed Media Animation, 6 Min., Auflage: 5
Zusätzlich 5 Skulpturen in einer Auflage von 6 plus einem Artist’s Proof (nicht in der Ausstellung)
joshuamosley.com

Angeregt durch die Lektüre von Blaise Pascals „Pensées“  (1669) und Jean-Jacques Rousseaus „Emile“ (1762) entwirft Joshua Mosley in seiner Videoanimation „dread“ einen fiktiven Dialog zwischen den beiden Philosophen, die ihre Hauptwerke im Abstand von rund 100 Jahren geschrieben haben. Es geht um das Verhältnis zwischen Mensch und Natur, um die Frage, ob die Dinge durch sich selbst da oder durch Gott geschaffen und deshalb gut sind. In freier Interpretation der beiden Denker spitzt Mosley zwei entgegengesetzte Haltungen zu: Die Postulierung einer erkennbaren und unhinterfragbaren Wahrheit und die der Akzeptanz des Nicht-Begreifens der letzten Dinge. Die beiden Denker führen ihren Disput bei einer Wanderung durch den Wald, bei der sie unter anderem auf einen wilden Hund stoßen, von dem Rousseau, der Verfechter des Guten in der Natur, angegriffen und getötet wird. Der Titel der Arbeit sowie der Hund nehmen Bezug auf Eadweard Muybridges fotografische Bewegungsstudien mit einem Vierbeiner gleichen Namens.

Pablo Pijnappel (*1979 in Paris, lebt in Amsterdam)
Felicitas, 2005
Drei-Kanal Diaprojektion, 24 Min.
www.carliergebauer.com/de/kuenstler/pablo-pijnappel.html

Pablo Pijnappel re/konstruiert in seinen filmischen Arbeiten und Diainstallationen die ungewöhnlichen, über die Welt verstreuten Lebenswege verschiedener Familienmitglieder und deren Bekanntenkreis. Dabei bedient er sich in seinen Text-, Bild- und Tonmontagen sowohl des Familienarchivs als auch anderer zeitgeschichtlicher Bilddokumente. Seine Erzählungen oszillieren zwischen dem Glaubhaften und Unglaubwürdigen, Alltäglichen und Grotesken, wobei sich weder die Spuren des einen noch des anderen vollständig aufdecken lassen.
Die dreiteilige Diaprojektion „Felicitas“ kreist um die Geschichte von Felicitas Baer, Tochter eines deutschen Industriellen, der nach dem ersten Weltkrieg mit seiner Familie nach Brasilien auswanderte. Felicitas, die in Rio de Janeiro eine Tanzschule gegründet hatte, lebte nach einem Flugzeugabsturz mehr als zwanzig Jahre in verschiedenen indigenen Stämmen, bis sie nach Rio zurückkehrte und sich dort mit Pijnappels Mutter anfreundete. Durchkreuzt wird die Erzählung über Felicitas durch die nicht minder „exotischen“ Lebenswege weiterer Figuren. Sie folgt weder einer chronologischen Ordnung noch durchgehend plausiblen kausalen Zusammenhängen. In der Bild-Text-Abfolge werden einige Bildmotive wiederholt, es wird in sie hineingezoomt, als gälte es, ihre Wahrhaftigkeit zu betonen, die jedoch zugleich anzweifelbar wird.

Tim Roda (*1977 in Lancaster, lebt in New York)
23 Fotografien, s/w, verschiedene Größen
www.artagents.de/ger/pages/default.htm

Tim Rodas Schwarz-Weiß-Fotografien basieren auf aufwändigen bühnenartigen Installationen, in denen er mit seiner Familie interagiert. Die opulenten Sets sind mit zahlreichen obskuren wie phantastischen, aus banalen Materialen und Materialresten hergestellten Requisiten ausgestattet, derer sich die Akteure in ihrem Spiel bedienen. Die möglichen Bedeutungen dieser Objekte ergeben sich erst im „Als ob“ des Spiels, dessen Vereinbarungen sich uns jedoch nicht restlos erschließen. Die Szenarien wirken gleichermaßen theatralisch und improvisiert. Sie hinterlassen bei aller Zurschaustellung den Eindruck, man wohne einem mysteriösen Ritual im Verborgenen bei, das an der Grenze zwischen unbekümmertem Spiel, heimlichen Wünschen und potenziellen Übergriffen oszilliert. Dem provisorischen Charakter der Szenarien entspricht der bewusst nachlässige Umgang mit dem Fotomaterial, das Spritzer von Chemikalien oder schief abgeschnittene Ränder aufweist.

Kevin Schmidt (*1972, lebt in Vancouver)
Wild Signals, 2007
Videoinstallation, 9,42 Min., Loop
www.catrionajeffries.com/b_k_schmidt_works.html

„Wild Signals“ zeigt ein Bühnenrigg, das wie von Geisterhand im unbewohnten, verschneiten Tal einer Gebirgslandschaft installiert wurde. Zu hören ist jene minimalistische, auf fünf Tönen basierende Klangfolge, die in Steven Spielbergs Film „Unheimliche Begegnung der dritten Art“ (1977) der Kommunikation mit den Außerirdischen diente. Spielberg bezog sich wiederum auf wissenschaftliche Farb- und Klangexperimente des 19. Jahrhunderts wie etwa des Musikers Jean-François Sudre, der eine aus Tönen konstruierte Universalsprache namens Solresol schuf.
Die statische Szenerie in „Wild Signals“ wird von diversen Interpretationen der Klangfolge, dem Lichtspiel der Scheinwerfer sowie künstlichen Nebelschwaden durchkreuzt. Trotz aller Anrufung mag sich bei Schmidt das Erhabene – weder der irdischen noch außerirdischen Natur – zu Erkennen geben. Der Betrachter, Zeuge des Spektakels und Experiments, wird auf seine eigenen Erwartungen zurückgeworfen.

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