Ausstellungsansicht
Ausstellungsansicht
Alexander Kluge, Wiesel mit Fledermaus. Zeichnung von Grandville, Druck auf Holz, 2020
Alexander Kluge, Nachtflug / Volo di notte, Night Flight / Volo di notte. Futuristische Oper von Luigi dalla Piccola, Filmmontage, Filmstill, 2019
Alexander Kluge, Scheuklappe für Artilleristen, Filmstill, 2019

Alexander Kluge. Oper: Der Tempel der Ernsthaftigkeit

STATIONEN
(Videolinks siehe unten)

Die Ausstellung ist in neun Stationen unterteilt, die wiederum in neun Untersektionen gegliedert sind. Die Stationen sind im Raum als eine Montage in Konstellationen angelegt und überschneiden sich architektonisch und visuell. Die Stationen reflektieren zum einen den Gegenstand Oper im unmittelbaren Bezug auf die ihr eigenen Formen der Aufführung: dem Himmel im Operngewölbe, dem Tempel und seinen Untergrund sowie dem Kehlkopf, in dem sich die Stimme formiert. Zum anderen verbinden sich die historischen Opernerzählungen mit der Neu- und Forterzählung ihrer Stoffe im Zeitbezug der Zwischenkriegs- und Nachkriegsmoderne bis zu unserer Gegenwart. Alexander Kluge kommentiert dieses Verfahren wie folgt: "In Stuttgart liegt der Fokus auf INTELLIGENZ, MODERNE und ERKENNTNIS. Alle drei Kategorien sind den Opern von Haus aus eher fremd. Andererseits weiß man aus dem Geschäft der Eheanbahnung: Gegensätze ziehen sich an!"

Szenisch werden die Stationen durch "Bühnenbilder" gegliedert, die motivisch Militär-, Liebes-, Technik-, Architektur- und Operngeschichte(n) verbinden. So wird der Anschluss an die Entstehungsgeschichte der Oper im Barock mittels eines Bühnenbilds von Anna Viebrock hergestellt, das sie für die Aufführung Berenike, Königin von Armenien (Il Vologeso), 2015 an der Stuttgarter Staatsoper entworfen hat. Dem Barock ist ebenso die Gesamterscheinung der Ausstellung entlehnt. Sie greift das allegorische Kulissenspiel, die emblematische Verschränkung verschiedenster Bedeutungsebenen und deren ereignishaften Charakter im Großem wie im Format der Miniatur auf. Verblüffend ist die Tatsache, dass der spätere Protagonist des Bauhauses, László Moholy-Nagy, an der Entwicklung von Messtischkarten für Haubitzen im Ersten Weltkrieg tätig war. Was man nicht weiß: Mitten in diesem Krieg fand eine Rebellion der "Vernichtungsspezialisten" statt, eine Rebellion junger, intelligenter Artillerieoffiziere. So entsteht aus den Zwängen und Krisen der Schlachtfelder der Ansatz für den architektonischen Konstruktivismus der Zwischenkriegsmoderne.

Die Zeiten und Räume überlagernde Gesamtinszenierung stellt Opernwerke wie die futuristische Oper Nachtflug (Volo di notte) von Luigi dalla Piccola neben die Modernität einer Medea-Neukomposition, die in Anknüpfung an eine nach-revolutionäre Inszenierung von kurz nach 1800 die gültige Version von Hans Thomallas aus dem 21. Jahrhundert setzt (Fremd, 2011, Staatsoper Stuttgart). Michael Gielen, Kluges Patron, auf den er sich, was Oper betrifft, verlässt, kommentiert als Meister der Zwölftonmusik selbige als Intervallkonstellation regressiver, totalitärer Natur, die zugleich jene Serialität bedingt, ohne die sich die Machtverhältnisse in Alban Bergs Lulu nicht in ihrer ganzen "Logik" und "hoffnungslosen Verfahrenheit" manifestieren könnten. "Im dritten Akt bringt Jack the Ripper den Sopran um". Wenn Kluge Gielen als "Äquivalent der „Frankfurter Kritischen Theorie in der Musik" bezeichnet, ist mit dieser Behauptung ein gebrochenes dialektisches Verhältnis gemeint, das sich keiner einfachen Synthese mehr ermächtigt. Die Anziehungskraft des Gegensätzlichen wäre dann geglückt und die Oper ein Ort für "INTELLIGENZ, MODERNE und ERKENNTNIS."

deueng
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