- Case/Stage, 2022, Kunstraum Kreuzberg
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Dominique Hurth. Privathandtaschen dürfen zum Außendienst nicht mitgetragen werden
18. Oktober 2025 – 11. Januar 2026
Eröffnung: Freitag, 17. Oktober 2026, 19 Uhr
Die Künstlerin Dominique Hurth entwickelt für die Räume des Württembergischen Kunstvereins eine neue Präsentation ihres langjährigen künstlerischen Forschungsprojektes über weibliche NS-Täterschaft, die sie am Beispiel der Figur der KZ-Aufseherin im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück untersucht.
Im Lager Ravensbrück, das als zentrale Ausbildungsstätte des weiblichen Wachpersonals aller Konzentrationslager diente, arbeiteten zwischen 1939 und 1945 rund 3.340 meist junge Frauen als Aufseherinnen. Sie waren keine Mitglieder der SS, dieser jedoch vertraglich unterstellt. Für ihren oftmals gewaltvollen Einsatz erhielten sie Privilegien und eine gewisse Unabhängigkeit.
In der Ausstellung geht Hurth drei zentralen Aspekten nach: Den Uniformen der KZ-Wächterinnen; der Textilproduktion in Ravensbrück sowie den Gerichtsverhandlungen gegen ehemalige KZ-Aufseherinnen nach dem Zweiten Weltkrieg.
Die Uniformen werden im Hinblick auf Geschlechter- und Statusrepräsentationen sowie auf ihre wechselseitigen Beziehungen zur damaligen Modewelt beleuchtet. In Ravensbrück wurden unter den Bedingungen von Zwangsarbeit insbesondere Häftlingskleidung sowie Uniformen für die Front und das weibliche Wachpersonal hergestellt. Hurth beleuchtet diese Produktion in Bezug auf Ökonomie, Arbeitsabläufe und -geräte, Gewalt sowie auf ihre Verschränkung mit der zivilen Bekleidungsindustrie. Im Kontext der NS-Prozesse befragt Hurth die provisorische Architektur der Gerichtsverhandlungen, die fotografische Dokumentation sowie die von Verharmlosungen und Stereotypen geprägte Sprache vor Gericht.
Neben bereits bestehenden Elementen zeigt die Ausstellung zahlreiche neue Werke, die für den Kunstverein im Sinne einer Gesamtinstallation konzipiert werden. Sie umfasst textile und architektonische Installationen, die die Formen von Webstühlen, Vorhängen oder temporären Gerichtssälen aufgreifen, Zeichnungen, Texte, Dia- und Videoprojektionen sowie historische Dokumente, die von Zeitschriften, Fotografien und Akten bis zu Uniformen und anderen Bekleidungstücken reichen. Gemeinsam bilden sie eine vielschichtige Erzählung über weibliche Täterschaft – sie schaffen Erfahrungsräume, die eine sensible und zugleich geschichts- und gegenwartskritische Annäherung an das Thema erlauben.
Zentrales Element ist überdies eine Auswahl von Zeichnungen, die Insassinnen wie die französische Widerstandskämpferin Violette Lecoq während, oder wie Ceija Stoijka Jahrzehnte nach ihrer Gefangenschaft (unter anderem) in Ravensbrück angefertigt haben. Die österreichische Romni Ceija Stoijka überlebte als Kind mehrere Jahre in verschiedenen KZ und begann erst in ihren Vierzigern und Fünfzigern ihre Erfahrungen in eindrücklichen Gedichten, Zeichnungen und Malereien auszudrücken.
Während sich der Kunstverein 2024 mit dem Projekt Three Doors von Forensic Architecture den heutigen Opfern rechtsextremer Gewalt in Deutschland widmete, blickt er nun mit Dominique Hurth auf die Geschichte weiblicher NS-Täterinnen- und Mittäterinnen – ein Thema, das noch immer weitgehend tabuisiert ist und das Hurth aus einer dezidiert feministischen Perspektive angeht. Dabei zeichnet sich die künstlerische und ästhetische Qualität der Arbeit Hurths insbesondere darin aus, dass sie die Komplexität dieses Themas jenseits starrer Täterinnen-Opfer- und Gender-Dichotomien und mit einem starken Bezug auf die Gegenwart verhandelt.
Parallel zur Ausstellung in Stuttgart ist eine Installation Hurths in der Mahn- und Gedenkstätte in Ravensbrück zu sehen.
Das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück
Das ehemalige Frauenkonzentrationslager in Ravensbrück ist ein Ort deutscher Gewaltgeschichte. Von 1939 bis 1945 wurden dort rund 120.000 Frauen aus 30 Nationen inhaftiert. 1939 begann in Ravensbrück die Textilproduktion. Mit der Einrichtung der TEXLED (Gesellschaft für Textil- und Lederverwertung, ein SS-eigenes Unternehmen) und ihrer Verlegung 1941 von Dachau nach Ravensbrück, wurden die dortigen Werkstätten zu einem führenden Standort für das Weben, Schneiden, Nähen und Reparieren von Textilien. Hergestellt wurden Häftlingskleidung für alle Konzentrationslager, Uniformen für die SS und Wehrmacht an der Front sowie für das weibliche Wachpersonal des KZ. Die Produktion der Häftlingskleidung wurde 1943 eingestellt, während die Produktion der Uniformen für die Front anstieg. Zeug*innenaussagen und Firmenberichte belegen die zunehmend gewalttätigen Arbeitsbedingungen in den Werkstätten.
Eine Ausstellung des
Württembergischen Kunstvereins
Kurator*innen
Hans D. Christ, Iris Dressler
Kuratorische Assistenz
Anne Volk
Gefördert von
Wüstenrot-Stiftung'
Büro für Bildende Kunst des Institut français Deutschland
Pro Lab, Stuttgart
siehe auch: cracks: Open Call